Regie: Slatan Dudow
Berlin zur Zeit der Wirtschaftskrise...
"Kuhle Wampe oder Wem gehört die Welt ?" aus dem Jahr 1932 entstand
somit in der Endphase der Weimarer Republik und basiert auf dem
Drehbuch von Bertold Brecht und Ernst Ottwald. Regie führte Slatan
Dudow. Er zählt neben Phil Jutzis "Mutter Krausens Fahrt ins Glück" zu
den wenigen proletarischen Spielfilmen aus dieser Zeit. Er war damit ein
krasses Gegengewicht zu der Stimmung, die die populären
Unterhaltungsfilme jener Zeit wie "Die Drei von der Tankstelle" oder
"Der Kongreß tanzt" boten.
Bereits kurz nach seinem
Erscheinen 1932 wurde die Aufführung des Films sowohl von der Berliner
Filmprüfstelle als auch von der Film-Oberprüfstelle verboten, weil so
das Argument "dieser Spielfilm nach seinem Gesamteindruck und seiner
Gesamtwirkung bei der notwendigen besonderen Berücksichtigung der
gegenwärtigen Zeitumstände geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und
Ordnung und lebenswichtige Interessen des Staates zu gefährden".
Begründet wurde das Verbot ausserdem damit, dass das Schicksal der
Familie Bönike nicht als Einzelschicksal dargestellt wird, sondern man
dem Zuschauer suggeriert, als sei alles typisch für die gegenwärtige
Lage im Land. Man fürchtete eine Beseitigung der demokratischen
Staatsordnung - hin zu der kommunistischen Weltrevolution.
Tatsächlich
waren die Zeiten aber so problematisch, dass der Faschismus nur wenig
später an die Macht kam. Der Film zeigt die damaligen
Zeitungsausschnitte, dort auf den Titelseiten werden immer mehr
Arbeitslose gezählt. Irgendwann wuchs die Zahl von 2 auf 5 Millionen
sprunghaft an. Die Weltwirtschaftskrise ist präsent.
Tatsächlich
ist der Film am besten dort, wo er einer dokumentarischen Chronik am
nächsten kommt, etwa in einer klasse inszenierten Einleitungsszene der
Arbeitslose mit ihren Fahrrädern bei der vergeblichen Arbeitssuche
zeigt. Auch die nüchternen Szenen in der Arbeiterfamilie Bönike
beeindrucken sehr. Denn der junge Kurt (Adolf Fischer) begeht aufgrund
seiner aussichtslosen Lage Selbstmord in der Wohnung seiner Eltern (Lili
Schönborn/Max Sablotzki), nachdem der Vater ihn am Tisch einmal mehr
als arbeitsunwillig darstellte.
Er stürzt sich aus dem
Fenster. Alles wird sehr nüchtern aufgenommen, lediglich die Neugier der
Schaulustigen durchbricht die Trägheit. Von der Familie hat nur die
junge Anni (Hertha Thiele) eine Arbeit und somit einen Verdienst. Doch
damit kann die Familie die Miete nicht mehr aufbringen und wird
kurzerhand aus der Wohnung geworfen. Annis Freund Fritz (Ernst Busch)
besorgt der verzweifelten Familie eine sehr unkonventionelle Unterkunft
in der Laubenkolonie "Kuhle Wampe" am Müggelsee. Dort soll es
solidarischer zugehen. Doch auch hier läuft nicht alles problemfrei. Als
Anni Fritz mitteilt, dass sie ein Kind erwartet, will er nicht zu
seiner Verantwortung stehen und will am liebsten die Abtreibung. Es
kommt aber doch zur Verlobung. Diese endet mit einem Besäufniß und auch
damit, dass Anni Fritz verlässt und zu ihrer Freundin Gerda (Marta
Wolter) zieht. Erst an einem Arbeitersportfest treffen sie sich wieder
und versöhnen sich. Am Ende wird das "Solidaritätslied" angestimmt und
die jungen Kommunisten fahren mit der S-Bahn heim. Dort streiten sich
diese Arbeiter mit bürgerlichen und wohlhabenden Fahrgästen über die
politische Lage in der Wirtschaftskrise....
Dem Film merkt man
etwas an, dass an ihm ein Mann des Theaters maßgeblich mitgewirkt hat.
Bertold Brecht hat die Idee des epischen Theaters propagiert und so
unterbrach und ergänzte der den Handlungsrahmen durch Songs, die
kommentieren sollen. Als sich Annie und Fritz näherkommen geschieht dies
in der schönen freien Natur und dazu hört der Zuschauer den Song "Das
Spiel der Geschlechter erneuert sich". Im Finale des Songs hört man
einmal mehr den "Solidaritätssong".
Diese Endphase des Films
ist nicht mehr so gut geglückt wie der Anfang und der Mittelteil. Hier
wird m.E. zu viel Propaganda vermittelt und bei dem Sportfest werden die
jungen Kommunisten so gezeigt, wie einige Jahre später die
"Hitlerjugend" in den NS-Filmen.
Dennoch ist "Kuhle Wampe" ein
ausserordentlich wichtiger deutscher Film und vor allem ein wertvolles
und ungewöhnliches Zeitdokuemnt aus jeder Zeit. In vielen Sequenzen wird
die damalige Realität deutlich.
Nach Hitlers Machtübernahme
wurde der Film am 26. März 1933 erneut verboten. Auf dem Zeltplatz kam
es zu Terroraktionen, die Arbeitersportvereine wurden verboten, und 1935
wurde der Zeltplatz „Kuhle Wampe“ aufgelöst.
Bewertung: 8 von 10 Punkten.
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