Regie: Helmut Käutner
Am Rande der Kiesgrube...
Ein lange Zeit veschollenes Meisterwerk des deutschen Films: Helmut
Käutners Film Noir lastiges Wirtschaftswunder-Drama heißt "Schwarzer
Kies" und wurde 1961 gedreht.
Gleich nach seiner Uraufführung, die am 13. April 1961 im
EM-Theater in Stuttgart stattfand, erstattete der Zentralrat der Juden
in Deutschland Strafanzeige gegen den Regisseur Käutner,
Herstellungsleiter Ulbrich und UFA-Chef Theo Osterwind. Es ging um eine
kurze Szene in der Kneipe des kleines Dorfes, in der sich herausstellt,
dass der Bordellwirt ein ehemaliger KZ-Häftling war und auch noch von
einem rassistischen Gast aufs Übelste beschimpft wird. Dies war Stein
des Anstoßes und man warf den Machern eine antisemtische Gesinnung vor.
Obwohl die Staatsanwalt nie ermittelte, wurde die beanstandete Passage
aus dem Film entfernt. Die DVD Edition der Friedrich Murnau Stiftung
beinhaltet 2 DVDs, eine davon ist Käutners Directors Cut
(Premierenfassung von Stuttgart) mit einem anderen Ende als die
Kinofassung. Interessanterweise finde ich das weniger dramatische Ende
der Kinofassung noch besser gelungen - aber in beiden Fällen handelt es
sich um einen großartigen deutschen Nachkriegsfilm, der unbedingt
entdeckt werden muss.
Schon die erste Szene gibt den Takt des Films an, dem seine Figuren
unterworfen sind. Ein Hund hält sich dort bei den Kiesgruben auf. Er
ist zutraulich und will mit dem dort arbeitenden Männern spielen. Einer
dieser Männer ist Robert Neidhardt (Helmut Wildt), vom Krieg gezeichnet.
Er ist unstet, nervös und Nutznießer der Stationierung des US-Militärs.
Dort im kleinen Dorf Sohnen im Hunsrück ist eine Militärflugbasis für
einige Tausend US-Soldaten errichtet worden. Obwohl sie von den
Einheimischen immer noch misstrauisch beäugt werden, erkennen diese doch
das lukrative Geschäft mit dem US-Boys. In dem kleinen Ort gibts jede
Menge Bars, viele deutsche Frauen und Mädchen, die auch als
Prostituierte anschaffen und die Bauunternehmer haben Hochkonjunktur.
Robert macht Geld im Schwarzhandel, sehr oft hat er den Kies, den er
liefern soll, anderweitig verkauft - der Aufseher Otto Krahne (Wolfgang
Büttner) hat ihm die Fuhre natürlich bestätigt. So verdienen alle an den
Besatzern. Zurück zum Hund, der mit Robert spielen will. Ein anderer
Mann wirft einen riesigen Stein auf den Hund, der sofort tot ist. Die
Tierleiche wird ohne Emotion in die Kiesgrube geworfen, eine neue Ladung
darauf gekippt - der tote Hund verschwindet. Wie wenn es ihn nie
gegeben hätte. Der schwarze Kies wird im Laufe der Geschichte noch
weitere Lebenwesen unter sich begraben. Aber vorher trifft Robert wieder
auf seine Ex-Geliebte Inge (Ingmar Zeisberg). Die ist inzwischen mit
dem amerikanischen Offizier John Gaines (Hans Cossy) verheiratet und
weil Gaines Wagen eine Autopanne und Robert ihm zur Hilfe kommt, sehen
sich die beiden rein zufällig nach vielen Jahren wieder. "Es war nicht
gut, dass wir uns wieder getroffen haben, auch für Dich nicht" wird Inge
zu Robert sagen, denn bei beiden sind noch starke Gefühle füreinander
im Spiel. Möglicherweise auch zerstörerische...denn Inge hat die
Sicherheit gewählt, die der Egoist Robert ihr nie bieten konnte. Der
sieht sich zuerst und alles andere geht ihn nichts an. Aus allem
versucht er Geld zu schlagen. So auch bei der Suche nach Inges
entlaufenen Hund, dabei hat er das Tier ja erst Stunden zuvor in der
Kiesgrube entsorgt. Die Bardame Ellie (Anita Höfer) ist zudem in Robert
verliebt, doch der zeigt ihr nur die kalte Schulter. So versucht sie mit
dem Schieber Krahne anzubandeln, der nach Kanada auswandern will. Das
Leben in Sohnen findet vor allem in den Bars und Bordelle statt. Dort
halten sich die jungen Soldaten und alten Nazis auf. Roberts Freund Bill
Rodgers (Peter Nestler) hat sich in die deutsche Anni Peel (Edeltraut
Elsner) verliebt, die beiden treffen sich zu einem Rendezvous im Wald.
Sie werden dieses Liebesspiel im Wald nicht lange überleben, denn
schicksalshaft wird Roberts Lastwagen, gefüllt mit schwarzem Kies, dort
die Straße in viel zu hoher Geschwindigkeit langfahren und die beiden
jungen Menschen unter sich begraben. Nun heißt es für den Unglücksfahrer
Robert entweder Verantwortung für das Unglück zu übernehmen oder es
vertuschen, denn durch die illegale entwendete Fracht müsste er auf
jeden Fall mit einer weiteren Strafe rechnen...
Der Film "Schwarzer Kies" ist ein ungeschinkter Blick in die
Wirtschaftwunder Zeiten. In der Spätphase Adenauers, ein Jahr vor dem
Mauerbau, die Kuba Krise..alles ist schon am Gären und die verdrängten
Widersprüche dieser Wohlstandrepublik werden schon bald unübersehbar
sein. Unschwer zu erkennen ist die gespannte Stimmung in dem in ein
Armee-Camp verwandelten Dorf. Gleich zu Anfang, als der Hund brutal mit
dem Stein erschlagen wird, kommt es zum Kampf zwischen dem Deutschen und
dem Ami. "Hey, gib mal nicht so an, Ami, die Zeiten sind vorbei" -
während über dem Himmel fortwährend Düsenjäger zu sehen und zu hören
sind, machen die Deutschen mit den Amis schmutzige Deals und das Leben
ist keinen Pfifferling mehr wert. Die Toten werden verscharrt im
schwarzen Kies in einem sehr schwarzen Film von Käutner, der eine
verlogene Welt und eine verlogene Gesellschaft skizziert.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen