Montag, 1. Oktober 2018

Schwarzer Kies

























Regie: Helmut Käutner

Am Rande der Kiesgrube...

Ein lange Zeit veschollenes Meisterwerk des deutschen Films: Helmut Käutners Film Noir lastiges Wirtschaftswunder-Drama heißt "Schwarzer Kies" und wurde 1961 gedreht.
Gleich nach seiner Uraufführung, die am 13. April 1961 im EM-Theater in Stuttgart stattfand, erstattete der Zentralrat der Juden in Deutschland Strafanzeige gegen den Regisseur Käutner, Herstellungsleiter Ulbrich und UFA-Chef Theo Osterwind. Es ging um eine kurze Szene in der Kneipe des kleines Dorfes, in der sich herausstellt, dass der Bordellwirt ein ehemaliger KZ-Häftling war und auch noch von einem rassistischen Gast aufs Übelste beschimpft wird. Dies war Stein des Anstoßes und man warf den Machern eine antisemtische Gesinnung vor. Obwohl die Staatsanwalt nie ermittelte, wurde die beanstandete Passage aus dem Film entfernt. Die DVD Edition der Friedrich Murnau Stiftung beinhaltet 2 DVDs, eine davon ist Käutners Directors Cut (Premierenfassung von Stuttgart) mit einem anderen Ende als die Kinofassung. Interessanterweise finde ich das weniger dramatische Ende der Kinofassung noch besser gelungen - aber in beiden Fällen handelt es sich um einen großartigen deutschen Nachkriegsfilm, der unbedingt entdeckt werden muss.
Schon die erste Szene gibt den Takt des Films an, dem seine Figuren unterworfen sind. Ein Hund hält sich dort bei den Kiesgruben auf. Er ist zutraulich und will mit dem dort arbeitenden Männern spielen. Einer dieser Männer ist Robert Neidhardt (Helmut Wildt), vom Krieg gezeichnet. Er ist unstet, nervös und Nutznießer der Stationierung des US-Militärs. Dort im kleinen Dorf Sohnen im Hunsrück ist eine Militärflugbasis für einige Tausend US-Soldaten errichtet worden. Obwohl sie von den Einheimischen immer noch misstrauisch beäugt werden, erkennen diese doch das lukrative Geschäft mit dem US-Boys. In dem kleinen Ort gibts jede Menge Bars, viele deutsche Frauen und Mädchen, die auch als Prostituierte anschaffen und die Bauunternehmer haben Hochkonjunktur. Robert macht Geld im Schwarzhandel, sehr oft hat er den Kies, den er liefern soll, anderweitig verkauft - der Aufseher Otto Krahne (Wolfgang Büttner) hat ihm die Fuhre natürlich bestätigt. So verdienen alle an den Besatzern. Zurück zum Hund, der mit Robert spielen will. Ein anderer Mann wirft einen riesigen Stein auf den Hund, der sofort tot ist. Die Tierleiche wird ohne Emotion in die Kiesgrube geworfen, eine neue Ladung darauf gekippt - der tote Hund verschwindet. Wie wenn es ihn nie gegeben hätte. Der schwarze Kies wird im Laufe der Geschichte noch weitere Lebenwesen unter sich begraben. Aber vorher trifft Robert wieder auf seine Ex-Geliebte Inge (Ingmar Zeisberg). Die ist inzwischen mit dem amerikanischen Offizier John Gaines (Hans Cossy) verheiratet und weil Gaines Wagen eine Autopanne und Robert ihm zur Hilfe kommt, sehen sich die beiden rein zufällig nach vielen Jahren wieder. "Es war nicht gut, dass wir uns wieder getroffen haben, auch für Dich nicht" wird Inge zu Robert sagen, denn bei beiden sind noch starke Gefühle füreinander im Spiel. Möglicherweise auch zerstörerische...denn Inge hat die Sicherheit gewählt, die der Egoist Robert ihr nie bieten konnte. Der sieht sich zuerst und alles andere geht ihn nichts an. Aus allem versucht er Geld zu schlagen. So auch bei der Suche nach Inges entlaufenen Hund, dabei hat er das Tier ja erst Stunden zuvor in der Kiesgrube entsorgt. Die Bardame Ellie (Anita Höfer) ist zudem in Robert verliebt, doch der zeigt ihr nur die kalte Schulter. So versucht sie mit dem Schieber Krahne anzubandeln, der nach Kanada auswandern will. Das Leben in Sohnen findet vor allem in den Bars und Bordelle statt. Dort halten sich die jungen Soldaten und alten Nazis auf. Roberts Freund Bill Rodgers (Peter Nestler) hat sich in die deutsche Anni Peel (Edeltraut Elsner) verliebt, die beiden treffen sich zu einem Rendezvous im Wald. Sie werden dieses Liebesspiel im Wald nicht lange überleben, denn schicksalshaft wird Roberts Lastwagen, gefüllt mit schwarzem Kies, dort die Straße in viel zu hoher Geschwindigkeit langfahren und die beiden jungen Menschen unter sich begraben. Nun heißt es für den Unglücksfahrer Robert entweder Verantwortung für das Unglück zu übernehmen oder es vertuschen, denn durch die illegale entwendete Fracht müsste er auf jeden Fall mit einer weiteren Strafe rechnen...





Der Film "Schwarzer Kies" ist ein ungeschinkter Blick in die Wirtschaftwunder Zeiten. In der Spätphase Adenauers, ein Jahr vor dem Mauerbau, die Kuba Krise..alles ist schon am Gären und die verdrängten Widersprüche dieser Wohlstandrepublik werden schon bald unübersehbar sein. Unschwer zu erkennen ist die gespannte Stimmung in dem in ein Armee-Camp verwandelten Dorf. Gleich zu Anfang, als der Hund brutal mit dem Stein erschlagen wird, kommt es zum Kampf zwischen dem Deutschen und dem Ami. "Hey, gib mal nicht so an, Ami, die Zeiten sind vorbei" - während über dem Himmel fortwährend Düsenjäger zu sehen und zu hören sind, machen die Deutschen mit den Amis schmutzige Deals und das Leben ist keinen Pfifferling mehr wert. Die Toten werden verscharrt im schwarzen Kies in einem sehr schwarzen Film von Käutner, der eine verlogene Welt und eine verlogene Gesellschaft skizziert.




Bewertung: 10 von 10 Punkten. 

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