Regie: Billy Wilder
Im Viertel geht es hoch her...
Billy Wilders Komödie "Irma la Douce" entstand 1963. Es war die
Zeit, als sich das nostalgische Kino mit Welterfolgen wie "Mary
Poppins", "My Fair Lady" oder "Sound of Music" noch einmal richtig
aufbäumte, bevor es immer mehr progressiven Filmstoffen mit Antihelden
Platz machen musste. Auch "Irma la Douce" gehört wegen seiner Machart
noch zu diesen Filmen nostalgischer Machart, auch wenn die Hauptfigur
dem Rotlichtmilieu von Paris enstammt. Dieser inzwischen
unkompliziertere Umgang mit Sexualität hätte Billy Wilder ein Jahrzehnt
zuvor aufgrund des Hays Codes gar nicht machen können. In seiner Komödie
"Das verflixte 7. Jahr" wurde aus einer realen Affäre eine, die der
Phantasie des Protagonisten entsammt. Shirley McLaine erhielt nach
"Verdammt sind sie alle" und "Das Appartment" bereits ihre dritte
Oscarnominierung, doch sie hatte auch in der Nacht der 1964er Verleihung
das Nachsehen - der Sieg ging an Patricia Neal für "Der Wildeste unter
1000". Es mussten noch zwanzig Jahre und zwei weitere Nominierungen
vergehen, bis die Schauspielerin endlich beim 5. Anlauf für "Zeit der
Zärtlichkeit" den begehrten Filmpreis gewann.
1963 war "Irma la Douce" ein großer Kassenhit und spielte insgesamt
25 Millionen Dollar ein. Dieses Ergebnis führte dazu, dass Wilders Film
auf Platz 5 der Kinojahrescharts landete. Der Regisseur setzte
natürlich auch auf die Zugkraft des Schauspielergespanns MacLaine und
Jack Lemmon, die bereits in "Das Appartment" gemeinsam begeisterten.
Trotz der Nostalgie, die "Irma la Douce" den Charme verleiht,
gepaart mit einer gewissen Freizügigkeit, ist der Film sehr naiv, an
einigen Stellen fast schon märchenhaft. Und es passieren Dinge gegen
Ende der Geschichte, jenseits der menschlichen Vorstellungskraft, die
durch die Figur des Kneipenwirtes Moustache, gespielt von Lou Jacobi;
möglich werden. Denn diese Schlüsselfigur hat in seinem Leben schon
allerhand erlebt...aber das ist eine andere Geschichte.
In Paris wird der naive Polizeibeamte Nestor Patou (Jack Lemmon)
gerade in das brisante Viertel Les Halles eingesetzt. Dort herrscht
schon am frühen Morgen wegen der Märkte reges Treiben und dieses bleibt
bis tief in die Nacht bestehen. Denn Les Halles ist auch das Viertel von
Mädels wie Kiki, der Kosak (Grace Lee Whitney), der durchgeknallten
Lolita (Hope Holiday), der Amazonen Annie (Joan Shawlee) oder Suzette
Wong (Tura Satana). Auch die attraktive Irma La Douce (Shirley MacLaine)
empfängt dort ihre Freier. Dabei erzählt sie diesen Männern noch
beiläufig tragische Geschichten ihres Schicksals, so dass die
Liebesdienste noch etwas besser bezahlt werden. Ihr"Beschützer" heißt
Hippolyte (Bruce Yarnell), der öfters auch brutal wird. Irmas Liebling
ist die kleine Hündin Coquette. Schon am ersten Tag in Nestors neuem
Wirkungskreis geht alles schief. Der rechtschaffene Polizist weiß nicht,
dass die Polizei von den Zuhältern Bestechungsgelder bekommt, damit sie
nur an zwei bestimmten Tagen zu einer bestimmten Uhrzeit Razzien
vornehmen. Das Nichtwissen kostet Nestor Patou seinen Job, denn in dem
Etablissement war auch der Polizeichef (Herschel Bernardi) gerade Gast.
Nestor geht noch einmal ins Viertel zurück und spült seinen Kummer im
Chez Moustache herunter. Dort lernt er Irma besser kennen und das
Schicksal will es so, dass die beiden ein Paar werden. Eigentlich könnte
alles so schön sein, wenn nur nicht Nestors Eifersucht wäre. Er hasst
es, dass sein Mädchen mit anderen Männern für Geld ins Bett geht. Daher
erfindet er gemeinsam mit Moustache eine Fantasiefigur: Er verkleidet
sich in einen steinreichen betagten englischen Gentleman, der Irma
auswählt und ihr soviel Geld bezahlt - lediglich für ein bisschen Zeit
um gemeinsam Patience zu spielt, so dass Irma keine anderen Freier mehr
empfangen muss. Doch die Idee hört sich theoretisch besser an als in der
Praxis...
Wilders frivole Farce wurde zum Publikumsliebling, auch wenn sich
in der Laufzeit von fast 150 Minuten ein paar Längen befinden. Die
Kameraarbeit von Joseph LaShelle ist einwandfrei, das Szenenbild
charmant, herrlich altmodisch - aber insgesamt unwerfend. Andre Previn,
der die Filmmusik schrieb, durfte sich über den Oscargewinn freuen. In
Deutschland wurde die Goldene Leinwand verliehen.
Bewertung: 8 von 10 Punkten.
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