Regie: William Wyler
Freundliche Überzeugungen...
"Lockende Versuchung" heißt im Original "Friendly Persuasion"
und wurde 1956 von William Wyler inszeniert. Der Film spielte in den USA
bei seinem Kinostart mehr als 4 Millionen Dollar ein und landete im
Jahresranking der besten Filme unter die ersten 20. In Frankreich
wollten über 3 Millionen Menschen den Film im Kino sehen. Für den
Bürgerkriegsfilm gab es ausserdem 6 Oscarnominierungen (Bester Film,
beste Regie, bester Nebendarsteller Anthony Quinn, bester Ton, Bester
Filmsong und beste Drehbuchadaption. Doch es blieb bei den Nominierungen
- in keiner Kategorie gelang dem Film ein Sieg. Immerhin durften sich
die Macher über die Goldene Palme von Cannes freuen. Es ist auch schade,
dass Gary Cooper und Dorothy McGuire keine Oscarnominierung erhalten
haben - beide spielen das Quäkerehepaar perfekt und mit viel Wärme und
Liebe. Die beiden Charaktere sind wunderbar temperamentvoll und
mitfühlend und sie ergänzen sich prächtig. Neben der ganzen Dramatik und
der Spannung lebt der Film aber vor allem von seiner Herzenswärme und
seinem feinen Humor. Ein Kinohit mit einem starken amerikanischen Flair.
In der deutschen Version wurde der Name der Familie von Birdwell in
Blumer umbenannt und auch die Vornamen erhielten eine leichte
Abänderung.
Der Film spielt in Jennings County, Indiana, im Jahr 1862. Jesse
Blumer (Gary Cooper) ist ein Farmer und Patriarch der Familie, dessen
Quäker-Religion im Widerspruch zu seiner Liebe zu weltlichen
Vergnügungen wie Musik und Pferderennen steht. Jesses Frau Eliza
(Dorothy McGuire) ist eine Quäkerpredigerin und tief religiös. Sie lehnt
Gewalt standhaft ab. Jesses Tochter Mattie (Phyllis Love) möchte
Quäkerin bleiben, hat sich aber gegen den Willen ihrer Mutter in den
schneidigen Kavallerieoffizier Gard Jordan (Peter Mark Richman)
verliebt, der allerdings kein Quäker ist, sondern die Methodistenkirche
besucht. Jesses jüngstes Kind Daniel (Richard Eyer) ist ein
streitlustiges Kind, dessen komische Fehde mit der Hausgans seiner
Mutter überhaupt nicht recht ist. Erstens hasst man nicht und zweitens
ist Samantha, so heißt die freche Gans, Frau Blumers großer Liebling.
Jesses älterer Sohn Josh (Anthony Perkins) ist hin- und hergerissen
zwischen seiner Abneigung gegen Gewalt und der Überzeugung, dass er sich
zum Schutz seiner Familie der Bürgerwehr anschließen und die Rebellen
aus dem Süden bekämpfen muss. Noah (Joel Fluellen), ein entlaufener
Sklave, arbeitet auf der Farm als Knecht und gehört auch zur Familie;
seine Kinder sind noch immer im Süden versklavt.
Die Geschichte dieser Familie beginnt als lockere und humorvolle
Erzählung über Quäker, die versuchen, ihren Glauben zu bewahren, während
sie am Sonntag zur Versammlung in den Gottesdienst gehen; im Gegensatz
zum Nachbarn Sam Jordan (Robert Middleton)und anderen Mitgliedern der
nahe gelegenen Methodistenkirche. Mit seinem Pferd Wirbelwind versucht
Jesse jeden Sonntag aufs Neue - durch ein Pferderennen mit seinem Freund
Sam - als Erster bei der Kirche zu sein. Doch Wirbelwind ist nicht am
Sieg interessiert und jeden Sonntag wundert sich Jesses Frau, warum ihr
Gatte es so eilig hat mit der Kutschfahrt. Die Stimmung kippt
dramatisch, als die Versammlung von einem Unionsoffizier unterbrochen
wird, der fragt, wie die Quäker ausharren können, wenn ihre Häuser
geplündert und ihre Familien von den anrückenden konföderierten Truppen
terrorisiert werden. Auf die Frage, ob er Angst vor dem Kampf habe,
antwortet Josuah Blumer, dass dies der Fall sein könnte. Seine
Ehrlichkeit zieht den Zorn von Purdy (Richard Hale) auf sich, einem
Quäkerältesten, der Menschen verurteilt, die nicht so glauben wie er....
Bald wird die Lage aber immer brenzliger und die Rebellen stehen
vor der Tür. Diese dramatischen Ereignisse werden von Profi William
Wyler immer wieder durch Szenen aufgelockert, die ein sehr schönes und
zufriedenes Schmunzeln hervorrufen. So kauft er bei der schrulligen
Witwe Hudspeth, sie wird gespielt von Marjorie Main, ein Pferd, dass
optisch einen trägen, langsamen Eindruck macht. Tatsächlich wird das
Tier zum Biest, wenn man es überholen will. Also ganz nach dem Geschmack
von Jesse Blumer, der das Pferd abkauft, während sein hübscher Sohn von
den drei Hudspeth Töchter unverholen und distanzlos angebaggert wird.
William Wyler setzt auf dichte Atmosphäre und auf sehr gute
Darstellerleistungen. Manche Kritiker haben ihm eine gewisse
Unverbindlichkeit bei sehr wichtigen Fragen unterstellt. Natürlich kann
man das Thema viel ernsthafter und dramatischer aufarbeiten, aber
sowohl Jessamyn West, die Autorin des gleichnamigen Romans als auch
Regisseur Wyler wählten eine andere Herangehensweise, indem sie zeigen
wie eine Familie mit einem Krieg vor der Haustür umgeht und welche
Strategien - neben dem großen Zusammehalt - in Frage kommen, um nicht
daran zu zerbrechen und auch zu überleben.
Bewertung: 8,5 von 10 Punkten.
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