Regie: Joseph H. Lewis
Waffennarren...
Joseph H. Lewis begann seine Filmkarriere zunächst als Bürogehilfe
bei MGM, wurde später Kamera-Assistant und dann Filmemacher bei Republic
Pictures, ab 1937 führte er auch Regie. Nach einigen Low Budget Western
gab man ihm die Regie für "Mein Name ist Julia Ross" - es folgten Filme
weitere Filme der schwarzen Serie, wie beispielsweise "So dark in the
Night", "Geheimring 99" oder "Gefährliche Leidenschaft", der im Original
"Gun Crazy heißt. Dieser 1950 gedrehte Noir erhählt von der
Verbrechensserie eines bewaffneten Ehepaares und gilt inzwischen als
einer der wichtigsten Arbeiten des Genres überhaupt. Peggy Cummings als
Annie Laurie Star und John Dall als Barton Tare agieren dabei ähnlich
explosiv und brutal wie Bonnie and Clyde.
Dalton Trumbo, ein Opfer der berüchtigten schwarzen Liste, schrieb
das Drehbuch, was aber in dieser Zeit Millard Kaufman zugeschrieben
wurde. 1958 kam es erneut zu einer Zusammenarbeit zwischen Joseph H.
Lewis und Dalton Trumbo für den Noir Western "Sturm über Texas". "Gun
Crazy" ist eine Art filmisches Skizzenbuch mit sehr guten Techniken
(trotz geringem Budget), der Regisseur setzt diese mit perfekter
Präzision ein. Dazu kam eine sehr motivierte Crew und ein sehr
einfacher, aber äusserst klarer und straffer Inszenierungstil, dennoch
ist jede Einstellung bis ins kleinste Detail prächtig gestaltet. So
stellt Lewis den jungen Russ Tamblyn halb aus dem Bild heraus, was die
Instabilität dieser Figur betont. Ebenso exemplarisch die Szene zwischen
dem bösen Mädchen Annie und Bartons bürgerlicher und ganz normaler
Schwester Ruby, gespielt von Annabel Shaw.
Die Geschichte nutzt eine schnelle Reihe von Rückblenden in einer
gerichtlichen Anhörung, um den Ursprung von Bart Tares Liebe zu Waffen
sowie seiner Phobie gegen das Töten zu erklären. Das er ein extremer
Waffennarr ist, wird nie erklärt, aber als er als kleiner Junge
begeisternd das Gewehr in der Hand hält und auf ein kleines Küken zielt,
will er nie wieder ein lebendiges Wesen durch einen Schuß töten. Mickey
Little spielt den 7jährigen Bart, Russ Tamblyn, der sich damals noch
Rusty Tamblyn nannte, verkörpert Bart als 14jähriger Teenie. In diesem
Alter wird er straffällig, weil er die Fensterscheiben eines
Waffenladens einschlägt, um dort eine der Waffen aus dem Schaufenster zu
entwenden. Der nächtliche Diebstahl misslingt allerdings und der
Richter ordnet an, dass der Junge in ein Erziehungheim muss. Von dort
entlassen, geht er zur Army und kehrt irgendwann in seine Heimatstadt
zurück. Seine beiden Jugendfreunde von einst Dave Allister (Nedrick
Young) und Clyde Boston (Harry Lewis) freuen sich total beim
Wiedersehen. Barts Schicksal ist aber in dem Moment besiegelt, als er
die hübsche, kaltblütige und manipulative Annie Laurie Starr (Peggy
Cummings) kennenlernt, die als Scharfschützin bei einem fahrenden
Jahrmarkt arbeitet. Bart, ein perfekter Schütze, fordert die Schöne zu
einem Wettkampf heraus und gewinnt. Sie verschafft ihm deshalb einen Job
auf dem Jahrmarkt, weil sie sich sofort in Bart verliebt hat. Ihm geht
es genauso. Ihr Boss Packett (Berry Kroeger) agiert eifersüchtig, worauf
das frisch gebackene Liebespaar verschwindet. Sie selbst warnt Bart
"ich bin böse, aber ich will versuchen gut zu sein". Tatsächlich hat
Annie eine extrem dunkle Seite und sie will auch keineswegs im Leben
kleine Brötchen backen. Sie überredet Bart zu Überfällen auf Läden und
Tankstellen.
Bart und Laurie sind einander so sehr zugetan, dass sie lieber
sterben würden, als sich zu trennen, eine Tatsache, die sie irgendwie in
den Status eines Klassikers erhebt. Sie sind Romeo und Julia, die
Straßensperren errichten und Raubüberfälle begehen. Bart sieht immer so
aus, als würde ihm gleich schlecht werden, während Laurie jeden
kriminellen Akt mit ungezügelter sexueller Freude begeht. In
Notsituationen bekäme sie Angst und dann hätte sie das Verlangen
"abzudrücken". Keine gute Voraussetzungen für eine schöne und ruhige
Zukunft....
Bei ein paar Einstellungen von "Gun Crazy" wird man an die späteren
Noirs von Melville erinnert. Man kann davon ausgehen, dass dieser Noir
für den französischen Krimimeister als reine Inspirationsquelle diente.
Peggy Cummings wurde in einer Umfrage der populärsten und wichtigsten
irischen Schauspieler*innen auf Platz 16 gewählt (Maureen O´Hara kam auf
Platz 1 noch vor Daniel Day Lewis) und spielt sicherlich die Rolle
ihres Lebens als Femme Fatale mit ihrer berühmten schräg aufgesetzten
Baskenmütze. John Dall kennt man natürlich als einer der beiden jungen
Mörder aus Hitchcocks "Cocktail für eine Leiche".
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen