Dienstag, 13. November 2018

Die Wahrheit

























Regie: Henri Georges Clouzot

Mord aus Leidenschaft...

"Die Wahrheit" wir oft gleichgesetzt mit der Richtigkeit, mit dem tatsächlichen Sachverhalt - aber ist oft auch davon abhängig aus welchem Blickwinkel man sie ergründen will. "Die Wahrheit" ist auch ein Film von Henri Georges Clouzot aus dem Jahr 1960, der erstmalig auch dem Sexsymbol dieser Jahre - Brigitte Bardot - die Möglichkeit gab schauspielerisches Können zu zeigen. Und wie auch vor ihm bereits von Akira Kurosawa in "Rashomon" treffend beobachtet, gibts da vielleicht gar nicht nur diese eine Wahrheit - denn in seinem Mittelalterepos wird von fünf Personen das gleiche Ereignis ganz verschieden erzählt und interpretiert. Dem japanischen Meisterregisseur gelang damit eine symbolische Auseinandersetzung mit Ursache, Schuld und der Wahrheit, alles verbunden mit einem schweren Verbrechen.
Diese Konstellation greift auch Clouzot wieder auf und bettet diese Fragen in eine Gerichtsverhandlung ein, die Ende der 50er Jahre in Paris stattfindet. Auch bei ihm steht der Wahrheitsgehalt immer wieder auf dem Prüfstand, dabei zeigt er die Geschichte, die zu einem Verbrechen führt, abschnittsweise und chronologisch in Rückblenden. Anders als bei Kurosawa, der eine universelle Botschaft vertritt, ist Clouzots Film auch stark am Zeitgeist orientiert. Als Zuschauer erkennt man klar die damalige viel strengere Sexualmoral und die vorherrschende Vorstellung von einem anständigen Leben. Bald wird klar, dass die Richter nicht nur ihre Tat be- oder verurteilen, sondern auch ihren lockeren Lebenswandel.
Brigitte Bardot spielt die wegen Mordes angeklagte Dominique Marceau, die zum Tod verurteilt werden könnte. Sie steht vor Gericht nicht nur als Frau, die ein Verbrechen aus Leidenschaft begangen hat, sondern stellvertretend für eine neue Generation, die mit den alten Werten nichts mehr anzufangen weiß. Die Männer, die über sie urteilen, sind alle über 50 und können nicht verstehen, dass die Jugend keine neuen Ziele definieren kann.
Gegensätze ziehen sich an - der junge Student Gilbert Tellier (Sami Frey) hört gerne klassische Musik, der dirigiert das Orchester seiner Mitstudenten und träumt auch von einem eigenen Orchester. Er ist mit der Geigerin Annie (Marie Jose Nat) befreundet, die ebenfalls Musik studiert. Deren Schwester Dominique (Brigitte Bardot) ist weniger introvertiert und interssiert sich für ChaChaCha, für Motorräder, für Partys und für Kino. Sie kam bei ihrer Schwester unter, solange sie noch keinen Job hat. Doch statt Arbeitssuche ist zuerst mal La Dolce Vita angesagt. Als Gilbert dem schönen blonden Mädchen erstmals begegnet, verknallt er sich sofort in sie und würde gerne mit ihr schlafen. Doch so offen über Gefühle reden, schickt sich nicht. Er weiß nur, dass er sie wieder sehen will und tatsächlich entsteht eine Liebschaft. Sehr zum Leidwesen von Annie, die eifersüchtig reagiert. Und Gilbert erweist sich als ausgesprochen eifersüchtig. Er deutet das sehr lockere Wesen seiner Freundin als Untreue, manchmal zu Recht - viel öfters aber zu Unrecht. Natürlich kann sowas auf Dauer nicht gut gehen, Gilbert trennt sich von Dominique und kommt dadurch mit Annie zusammen. Als Dominque erfährt, dass Annie sich mit Gilbert verlobt hat, sucht sie ihren Exfreund auf. Dort kommt es zur Katastrophe...



Charles Vanel spielt den Maitre Guerin, den Verteidiger von Dominique und sein Gegenspieler Ankläger Epavier wird von Paul Meurisse gespielt. Jacques Perrin und Claude Berri sind als Freunde von Gilbert und Dominique zu sehen.
Der große Pluspunkt in "Die Wahrheit" sind aber die beiden Hauptdarsteller Sami Frey und die Barot, die hier Gelegenheit bekommt eine zwiespältige Figur zu spielen. Etwas selbstzerstörerisches ist in dieser jungen Frau, die dann am Ende auch zum Scheitern verdammt ist. Anders als seine anerkannten Meisterwerke "Lohn der Angst", "Die Teuflischen" und "Der Rabe" ist "Die Wahrheit" leider in Vergessenheit geraten. Obwohl 5 Millionen Filmfreunde in Frankreich damals in Kino gingen und "Die Wahrheit" zu einem Riesenerfolg machten. Auch die internationale Kritik reagierte begeistert: Ein Golden Globe und eine Oscarnominierung als bester Auslandsfilm sprang heraus.
Freuen konnte sich Clouzot damals nicht darüber - kurz nach der Premiere verstarb seine Frau Vera Clouzot, die am Drehbuch mitgearbeitet hatte, im Alter von 47 Jahren an einem Herzinfarkt. Diesen Tod kommentierte die Presse als Parallele zu ihrer bekanntesten Filmrolle in "Die Teuflischen" -  als Christine fällt sie dort einem Herzanfall zum Opfer.


Bewertung: 9 von 10 Punkten.

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