Regie: Henri Georges Clouzot
Mord aus Leidenschaft...
"Die Wahrheit" wir oft gleichgesetzt mit der Richtigkeit, mit dem
tatsächlichen Sachverhalt - aber ist oft auch davon abhängig aus welchem
Blickwinkel man sie ergründen will. "Die Wahrheit" ist auch ein Film
von Henri Georges Clouzot aus dem Jahr 1960, der erstmalig auch dem
Sexsymbol dieser Jahre - Brigitte Bardot - die Möglichkeit gab
schauspielerisches Können zu zeigen. Und wie auch vor ihm bereits von
Akira Kurosawa in "Rashomon" treffend beobachtet, gibts da vielleicht
gar nicht nur diese eine Wahrheit - denn in seinem Mittelalterepos wird
von fünf Personen das gleiche Ereignis ganz verschieden erzählt und
interpretiert. Dem japanischen Meisterregisseur gelang damit eine
symbolische Auseinandersetzung mit Ursache, Schuld und der Wahrheit,
alles verbunden mit einem schweren Verbrechen.
Diese Konstellation greift auch Clouzot wieder auf und bettet diese
Fragen in eine Gerichtsverhandlung ein, die Ende der 50er Jahre in
Paris stattfindet. Auch bei ihm steht der Wahrheitsgehalt immer wieder
auf dem Prüfstand, dabei zeigt er die Geschichte, die zu einem
Verbrechen führt, abschnittsweise und chronologisch in Rückblenden.
Anders als bei Kurosawa, der eine universelle Botschaft vertritt, ist
Clouzots Film auch stark am Zeitgeist orientiert. Als Zuschauer erkennt
man klar die damalige viel strengere Sexualmoral und die vorherrschende
Vorstellung von einem anständigen Leben. Bald wird klar, dass die
Richter nicht nur ihre Tat be- oder verurteilen, sondern auch ihren
lockeren Lebenswandel.
Brigitte Bardot spielt die wegen Mordes angeklagte Dominique
Marceau, die zum Tod verurteilt werden könnte. Sie steht vor Gericht
nicht nur als Frau, die ein Verbrechen aus Leidenschaft begangen hat,
sondern stellvertretend für eine neue Generation, die mit den alten
Werten nichts mehr anzufangen weiß. Die Männer, die über sie urteilen,
sind alle über 50 und können nicht verstehen, dass die Jugend keine
neuen Ziele definieren kann.
Gegensätze ziehen sich an - der junge Student Gilbert Tellier (Sami
Frey) hört gerne klassische Musik, der dirigiert das Orchester seiner
Mitstudenten und träumt auch von einem eigenen Orchester. Er ist mit der
Geigerin Annie (Marie Jose Nat) befreundet, die ebenfalls Musik
studiert. Deren Schwester Dominique (Brigitte Bardot) ist weniger
introvertiert und interssiert sich für ChaChaCha, für Motorräder, für
Partys und für Kino. Sie kam bei ihrer Schwester unter, solange sie noch
keinen Job hat. Doch statt Arbeitssuche ist zuerst mal La Dolce Vita
angesagt. Als Gilbert dem schönen blonden Mädchen erstmals begegnet,
verknallt er sich sofort in sie und würde gerne mit ihr schlafen. Doch
so offen über Gefühle reden, schickt sich nicht. Er weiß nur, dass er
sie wieder sehen will und tatsächlich entsteht eine Liebschaft. Sehr zum
Leidwesen von Annie, die eifersüchtig reagiert. Und Gilbert erweist
sich als ausgesprochen eifersüchtig. Er deutet das sehr lockere Wesen
seiner Freundin als Untreue, manchmal zu Recht - viel öfters aber zu
Unrecht. Natürlich kann sowas auf Dauer nicht gut gehen, Gilbert trennt
sich von Dominique und kommt dadurch mit Annie zusammen. Als Dominque
erfährt, dass Annie sich mit Gilbert verlobt hat, sucht sie ihren
Exfreund auf. Dort kommt es zur Katastrophe...
Charles Vanel spielt den Maitre Guerin, den Verteidiger von
Dominique und sein Gegenspieler Ankläger Epavier wird von Paul Meurisse
gespielt. Jacques Perrin und Claude Berri sind als Freunde von Gilbert
und Dominique zu sehen.
Der große Pluspunkt in "Die Wahrheit" sind aber die beiden
Hauptdarsteller Sami Frey und die Barot, die hier Gelegenheit bekommt
eine zwiespältige Figur zu spielen. Etwas selbstzerstörerisches ist in
dieser jungen Frau, die dann am Ende auch zum Scheitern verdammt ist.
Anders als seine anerkannten Meisterwerke "Lohn der Angst", "Die
Teuflischen" und "Der Rabe" ist "Die Wahrheit" leider in Vergessenheit
geraten. Obwohl 5 Millionen Filmfreunde in Frankreich damals in Kino
gingen und "Die Wahrheit" zu einem Riesenerfolg machten. Auch die
internationale Kritik reagierte begeistert: Ein Golden Globe und eine
Oscarnominierung als bester Auslandsfilm sprang heraus.
Freuen konnte sich Clouzot damals nicht darüber - kurz nach der
Premiere verstarb seine Frau Vera Clouzot, die am Drehbuch mitgearbeitet
hatte, im Alter von 47 Jahren an einem Herzinfarkt. Diesen Tod
kommentierte die Presse als Parallele zu ihrer bekanntesten Filmrolle in
"Die Teuflischen" - als Christine fällt sie dort einem Herzanfall zum Opfer.
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