Regie: Riccardo Freda
Lebt Helen noch ?
Mit nur 600.000 Zuschauern war "Das Gesicht im Dunkeln" der erste Edgar
Wallace Film der Rialto, der die Millionenmarke an Eintrittskarten nicht
schaffen konnte. Für die Macher war dies daher eine herbe Enttäuschung und wurde
als Riesenflop gewertet. Tatsächlich ist die deutsch-italienische Coproduktion,
inszeniert von Riccardo Freda, DER Film der Serie, der mächtig aus der Reihe
fällt. Vor allem inhaltlich geht der atmosphärische End-60s Thriller ganz eigene
Wege und liefert statt der Ermittlung nach dem Täter, bei dem sehr viele
Verdächtige in die Story eingeflochten wurde, eher die Nöte eines Witwers, der
seine Frau durch einen Unfall verloren hat und in der Folgezeit eine
erschreckende Entdeckung macht. Oder spielen da vielleicht die Sinne einen
Streich ?
Es geht um John Alexander (Klaus Kinski), dem Ehemann der schwerreichen und
gelangweilten Helen Alexander (Margaret Lee), Besitzerin der Brown
Automobilwerke. Dieser muss hilflos mit ansehen, wie Helen eine lesbische
Beziehung zu der Tänzerin Liz (Annabella Incontrera) unterhält, sogar in der
gemeinsamen Villa. Aber sie erzählt ihm, dass er sich keine Sorgen um seine
Zukunft machen muss, da er der Alleinerbe sein wird. Dies überrascht John, der
immer dachte, dass sein Schwiegervater (Sydney Chaplin) den Großteil des Geldes
hat. Um ein bisschen Abstand zur kriselnden Ehe zu haben, kündigt Margaret eine
längere Reise an. In der Nacht vor der Abreise wird an dem Wagen von einem
Unbekannten ein Sprengsatz im Auto versteckt. Tatsächlich verunglückt Helen, der
Wagen geht in Flammen auf, man findet nur noch die verkohlte Leiche. Alleinerbe
John macht aber ein halbes Jahr später in London einige irriterende
Entdeckungen, die auch mit dem Mädchen Christine (Christiane Krüger)
zusammenhängen, die ist nämlich aus heiterem Himmel in die Villa eingebrochen,
um dort ein Bad zu nehmen. Durch sie sieht er auch einen Pornofilm, auf dem er
glaubt, dass dort seine verstorbene Frau zu sehen ist. Sie trägt allerdings eine
Maske. Lebt sie noch ? Oder will jemand ihn verrückt machen ? Möglicherweise ist
es auch eine Falle der Scotland Yard Ermittler Stevens (Günther Stoll) und
Gordon (Luciano Spadoni), die das Märchen vom Unfall vielleicht nie geglaubt
haben ?
Aus diesen Fragen bezieht der Film seine Spannung und er entwirft in seinen
besten Momenten ein sehr bizarres, nächtliches London, das ein bisschen wie ein
fiebriger Traum daherkommt.
Die Edgar Wallace-Fanbasis als anvisierte Zielgruppe wird bewusst vor den
Kopf gestoßen. So ziemlich alle Liebenswürdigkeiten der beliebten deutschen
Krimireihe wurden konsequent ignoriert. Statt Humor gibts eine entblößte
Christiane Krüger, die eine geheimnisvolle junge Frau spielt. Ein bisschen
Giallo, aber weniger grell und bunt und vor allem keine stilvollen Morde. Im
Grunde gehts ja nur um einen Mord und da ist schon noch die Frage, ob er nun
tatsächlich passiert ist, denn die Tote könnte nach ihrem Ableben zum Pornostar
aufgestiegen sein.
Ist man aber in der Stimmung für eine verzweifelte, fast schon ins Irreale
kippende Reise durch die Nacht, liegt man bei diesem sehr gut fotografierten
(Gabor Pogany) und atmosphärisch dichten Krimi sicherlich richtig. Die ganze
Geschichte wird von einer extrem morbiden Stimmung durchzogen. Klaus Kinski
spielt gewohnt undurchsichtig, was perfekt zu der Rolle passt und selbst den
Zuschauer bis zuletzt im Dunkel lässt.
Der Regisseur arbeitet mit einigen langen Szenen, in denen völlig ohne
Dialog gearbeitet wird. Dies vermittlet einen sehr gekonnten visuellen Stil, der
eigenständig ist und Information durch Bilder vermittelt. Für mich einer der
sehr guten Edgar Wallace Filme.
Bewertung: 8 von 10 Punkten.
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