Montag, 14. April 2014

Viridiana

















Regie: Luis Bunuel

Die Novizin und ihr Oheim...

Schauplatz der Orgie, die im Film "Viridiana" von Luis Bunuel stattfindet, ist der Speisesaal eines spanischen herrensitzes: An der festlich gedeckten Tafel hocken Kranke, Diebe, Bettler, Blinde, Zwerge und Aussätzige. Alle sind volltrunken. Das Paar schickt sich an, den Freuden der Liebe zu huldigen, als jemand vorschlägt ein Foto zu machen. Das Gruppenbild, das sie bieten, wirkt wie eine parodistische Version von Leonardo da Vincis "Das Abendmahl". Die Stelle Jesu nimmt ein Blinder ein. Dann kehrt Stille ein. Draußen kräht ein Hahn. Eine berühmte Filmszene aus Bunuels 1961 entstandenen spanisch-mexikanischen Welterfolg. Die Handlung des Films ist blasphemisch und provokatorisch, denn in seiner Grundaussage ist er der Meinung, dass Barmherzigkeit eher ein Laster sei und mehr Schlechtes als Gutes bringe.
Die junge Novizin Viridiana (Silvia Pinal) ist gerade im Begriff ihr Gelübde abzulegen, als sie von ihrem Onkel Don Jaime (Fernando Rey) eine Einladung zum Besuch erhält. Er ist ihr einziger lebender Verwandten und hat ihre Ausbildung bezahlt.  Sie kennt ihn aber nicht gut, hat ihn nur einmal bisher getroffen und ist nicht besonders glücklich über diese Einladung. Die Mutter Oberin empfiehlt ihr aber den Besuch. Auf diesem Herrensitz angekommen zieht die junge Frau das Interesse des alternden Adligen auf sich, da sie eine starke Ähnlichkeit mit dessen Frau hat, die während der Hochzeitsnacht starb. Das Anwesen samt Bauernhof ist etwas heruntergekommen. Kein Wunder, denn Don Jaime hat nur einen treuen Hausmeister, eine ergebene Dienerin namens Ramona (Margarita Lozana), die dort mit ihrer kleinen Tochter Rita lebt. Viridiana, die manchmal Nachts schlafwandelt, soll dem Onkel einen merkwürdigen Wunsch erfüllen, indem sie das Hochzeitskleid seiner Frau anziehen soll. Ramona gesteht der Novizin dann noch, dass Don Jaime vorhat um ihre Hand anzuhalten. Diese Information nimmt sie mit einem gewissen Entsetzen auf. Doch im Getränk ist bereits ein Schlafmittel, dass dazu benutzt wurde die ahnungslose Frau bewusstlos zu machen. Don Jaime hegte die Absicht die Frau im Schlaf zu vergewaltigen, doch im letzten Moment lässt er von ihr ab.
Am nächsten Morgen lügt er Viridiana an: Um sie bei sich zu halten, erfinde t er die volllzogene Vergewaltigung. Dieses Geständnis schockt, die Frau reist ab. Kommt aber nur bis zum Bahnhof, denn dort erfährt sie von der Polizei, dass der Onkel sich erhängt hat. Geplagt von Schuldgefühlen bleibt sie im Haus des Onkels und möchte armen Menschen ein Obdach gewähren. Dies passt aber Don Jaimes unehelichem Sohn Jorge (Francisco Rabal) nicht, der nach dem Tod seines Onkels mit der Geliebten (Victoria Zinny) ebenfalls einzieht..


 .Der Film selbst begeistert durch Charakterstudien von eindringlicher Tiefe und vielschichtigen Rätsel. Vor allem das Bettlerbankett bleibt in einprägsamer Erinerung. Es beginnt mit Freude und Neugier, steigert sich aber ins anarchistische Exzess. Die Ärmsten der Armen schmatzen, tanzen, saufen, verwüsten, verprügeln einander und steigern zunehmend ihre Aggression. Silvia Pinal und Fernando Rey spielen ihre Rollen großartig. Aufgrund der Tatsache, dass die christliche Lehre nicht sehr gut wegkommt, war der Film zu seiner Entstehung ein echter Skandal. Allerdings gewann er 1961 die Goldene Palma von Cannes.
Der Film stellt die Moral des Katholizismus einer brutalen Realität gegenüber. So reicht beispielsweise Viridianas religiöser Eifer so weit, dass sie im Gepäck eine Dornenkrone mit sich führt und zur Buße auf dem Fußboden schläft. Der Schluß deutet sehr auffällig an, dass die Sünde siegen wird. 

Bewertung: 10 von 10 Punkten. 

Sonntag, 13. April 2014

Wilde Erdbeeren

























Regie: Ingmar Bergman

Das Leben des Isak Borg...

In Ingmar Bergmans 1957 entstandenen Klassiker "Wilde Erdbeeren geht es um Erinnerungen, wobei die Handlung des Films aber auf einen einzigen Tag komprimiert ist. Der 76jährige Professor Isak Borg (Victor Sjöström) feiert an diesem Tag sein goldenes Doktorjubiläum. Am 50. Jahrestag seiner Promotion soll er von seiner Universität in Lund geehrt werden. So unternimmt er eine Autofahrt vom heimischen Stockholm nach Lund. Der Tag beginnt aber mit einem Grübeln, denn der alte Mann hat im Traum seinen eigenen Tod erlebt und sich als Leiche gesehen. Er sieht sich auf einer menschenleeren, ausgestorbenen Gasse. Die Uhr, die vor einem der Häuser hängt, hat keine Zeiger mehr. Er erblickt einen weiteren Mann, der ihm den Rücken zugedreht hat. Als er diesen anstupst, fällt diese Gestalt zu Boden und zerspringt wie ein Gefäß, aus dem gebrochenen Kopf kommt Blut. Er hört ein Herzpochen und dann kommt eine Kutsche mit Pferden immer näher. Es ist ein Leichenwagen, der eine Laterne streift, weil sie wohl keinen Kutscher hat. Der Wagen birst, das Rad löst sich und rollt auf den staunenden und entsetzen Professor zu, der Sarg rutscht heraus und landet vor den Füßen des Träumenden. Er öffent sich und die Hand der Leiche bewegt sich. Als der Professor über den Sarg beugt, erkennt er sich selbst.
Dieser Traum macht Angst und so wird der Tag auch ein Tag voller Erinnerungen. Seine Haushälterin Agda (Julian Kindahl) richtet ihm das Frühstück und macht die Koffer reisefertig. Professor Borg entschließt sich für die Reise mit dem Auto, begleitet wird er von seiner Schwiegertochter Marianne (Ingrid Thulin), die sich erst kürzlich von ihrem Mann Evald (Gunnar Björnstrand) getrennt hat, weil dieser immer mehr verhärterter und todessüchtiger wird. Auf dem Weg dorthin fährt er bei seiner 96jahre alten Mutter (Naima Wilfstrand) vorbei. Sie nehmen auf der Fahrt auch drei Anhalter mit. Die junge Sara (Bibi Andersson), die seiner Jugendliebe Sara gleicht, reist mit den beiden jungen Männern Anders (Folke Sundquist) und Viktor (Björn Bjelvenstam) mit. Die beiden Männer streiten ständig über die Existenz Gottes und Isak selbst hat an diesem Tag weitere Träume und immer wieder kommen Erinnerungen in ihm hoch. Vor allem an seine Jugendliebe Sara, die sich für seinen Bruder entschied - aber auch an seine Frau Karin (Gertrud Fridth), die ihn betrog, aber ihm auch vorwarf ein grenzenloser Egoist zu sein....

 Bergmans Film zeigt einen Mann an der letzten Schwelle seines Lebens. Die guten Taten und die bösen Werke geben sich die Hane und spüren ihn auf in Gestalt von düsteren Träumen. Er wird dabei nicht umhin kommen eine Bilanz seines Lebens zu ziehen. So wird es nicht nur zu einer Reise zu einer Feier, sondern eine Reise gnadenloser Abrechnungen und schmerzhaften Erinnerungen. Sie stehen im scharfen Kontrast zu der Promotionsfeier am Ende. Die Idylle besitzt einen Schrecken, grandios auch die Gegenüberstellung des alten Isak Borg mit einem kleinen Kind, so wird die Reise auch eine elementare Erinnerung bis zur Geburt.
Jeder Dialog sitzt perfekt und die Schauspielerleistungen, allen voran Victor Sjörström, Ingrid Thulin und Bibi Andersson sind hervorragend und machen "Wilde Erdbeeren" zu einem herausragenden Filmwerk. Einerseits hat der Film auch eine gewisse Leichtigkeit, aber Hauptmerkmal ist die ständige Melancholie - eine Folge aus den Kontrasten des Lebens, einerseits die Unkompliziertheit der Jugend, andererseits die Traurigkeit im Alter.


Bewertung: 10 von 10 Punkten.

Mittwoch, 9. April 2014

Einen Sommer lang

























Regie: Ingmar Bergman

Erinnerungen an die erste Liebe...

Es lohnt sich sehr, sich mit dem Frühwerk des schwedischen Filmregisseurs Ingmar Bergman auseinanderzusetzen, der beste Beweis liefert dafür sein 1951 entstandener Liebesfilm "Einen Sommer lang" (Orignal "Sommarlek), den Bergman als einen seiner wichtigsten Werke bezeichnete, denn in diesem Film - so seine Aussage - fand er zum ersten Mal zu seinem eigenen Stil "„Ich wußte plötzlich, daß ich die Kamera an die richtige Stelle stellte, daß ich die richtigen Ergebnisse bekam, daß die Dinge stimmten". Der Film beginnt inmitten der Proben zu "Schwanensee". Die 29jährige Marie (Maj-Britt Nilsson) ist die Primaballerina. Die Frau ist inzwischen zu einem Star geworden, doch sie ist für ihre Mitmenschen eher der introvertierte und verschlossen Typ. Sie wirkt emotional distanziert. Jemand hat der Frau unerwartet das Tagebuch ihrer ersten Liebe geschickt, der Junge hieß Henrik (Birger Malmsten) und kam in den letzten Tagen ihres gemeinsamen Sommers vor 13 Jahren unter tragischen Umständen ums Leben. Sie lernte damals den verliebten Studenten, der immer mit seinem Hund unterwegs war, bei einem Besuch ihrer Tante Elisabeth (Renee Björling) und Onkel Erland (Georg Funkquist) kennen. Da die Generalprobe an diesem Tag wegen eines technischen Problems auf den Abend verschoben wird, hat die junge Frau Zeit das Boot auf die Insel zu nehmen, wo sich alles einen Sommer lang abspielte. Sie erinnert sich dabei an die spielerische und unbeschwerte Zeit dieser ersten Liebe, die die schönste zeit ihres Lebens war. In der Folgezeit erlag sie zuerst der Trauer und sie lernte es sich abzuschotten und so dem eigentlichen leben aus dem Weg zu gehen. Im Tanz findet sie Zuflucht und entzieht sich den anderen Menschen. Vor allem auch der Liebe, denn die macht Angst, weil auch Verlust möglich ist.  Ein Hoffungsschimmer am Ende für ihren neuen Freund David (Alf Kjellin), der die Barriere vielleicht durchbrechen kann...



 Ich kannte den Film bisher nicht und bin von diesem eher unbekannten Klassiker restlos begeistert, der Film ist jedenfalls qualitativ vom selben Kaliber wie meine Lieblingfilme von Bergman "Die Jungfrauenquelle", "Das siebente Siegel" oder "Wilde Erdbeeren". Diese kommen übrigens in "Einen Sommer lang" auch wieder vor und stehen für Veliebtheit, Zweisamkeit und Verführung. So leicht der Film manchmal daherkommt, hat er auch sehr melancholische und in der Quintessenz auch traurige Momente des Abschieds und des Schmerzes. Bergman hält dem allerdings das momentane Glück dagegen, ohne diese Erfüllung wäre der Gegensatz dazu gar nicht möglich. Es ist eine Aufforderung sich ganz auf eine Beziehung einzulassen, auch wenn nichts von Dauer ist. Und am Ende vielleicht noch nicht mal die Erinnerung bleibt. Ein extrem schöner Film. Mimi Pollack, die Henriks totkranke tante spielt ist eine Art Vorläufer zum Tod (Bengt Ekerot), der in "Das siebente Siegel" mit Ritter Block (Max von Sydow) ein Schachspiel beginnt. 




Bewertung: 10 von 10 Punkten.