Mittwoch, 15. Februar 2017

Mon Oncle

























Regie: Jacques Tati

Schöne neue Welt....

Jacques Tati ist ein filmhistorisch ein sehr bedeutender Regisseur, obwohl er nur sehr wenige Filme realisierte. Sein sehr individueller und aussergewöhnlicher Stil ist für heutige Sehgewohnheiten etwas gewöhnungsbedürftig, aber dennoch lohnt es sich den französischen Filmemacher, der 1977 mit dem Cesar für sein Lebenwwerk ausgezeichnet wurde, für sich zu entdecken. Er entwickelte die von ihm dargestellte Figur des "Monsieur Hulot", der mit Pantomine, Slapstick und einem visuellen Humor begeistert - Vergleiche mit Charlie Chaplins "Tramp" kommen sofort in den Sinn. In seinen Filmen wird nicht so oft geredet, sehr oft wird der Dialog durch Geräusche ersetzt, die manchmal sehr markant ihre Zeichen setzen. Mit leisem Humor schimmert der Zivilisationskritiker durch. Tatis Durchbruch kam mit "Tatis Schützenfest" im Jahr 1947. Bereits in seinem zweiten Film "Die Ferien des Monsieur Hulot" taucht dann auch schon der liebenswürdige Individualist und wenig angepasste Mann mit Hut und langer Pfeife auf. Er muss sich in seinem Filmen mit den Tücken der modernen Zivilisation zurechtkommen, was nicht immer einfach ist.
1959 wurde er sein Film "Mon Oncle" mit dem Oscar als bester fremdsprachiger Film ausgesetzt. Ein Höhepunkt in seiner bisherigen Karriere. Viele Fans halten "Mon Oncle" für Tatis besten Film, obwohl sein ambitioniertestes Werk "Playtime" erst noch folgen sollte.
Monsieur Hulot (Jacques Tati) ist der Onkel des neunjährigen Gerard Arpel (Alain Becourt). Der Junge liebt seinen Onkel, denn der holt ihn oft mit seinem Fahrrad von der Schule ab und bei den Streichen, die Gerard mit seinen Freunden manchem Erwachsenen spielen, schaut der Onkel eher vergnügt zu, als das er die Kinder in ihrem Tun ermahnen würde. Hulot wohnt in einer wunderschön nostalgischen Gegend, ganz oben in einem Mehrfamilienhaus hat er seine wohnung. In seinem Viertel ist die Welt noch in Ordnung. Der Straßenkehrer verrichtet ohne Streß seine Arbeit, der Obst- und Gemüsemarkt ist vor Ort. Die Leute haben es nicht eilig. Wenn es mal Streit gibt, dann geht man zusammen ins Wirtshaus und kommt zufrieden zusammen wieder raus. Man hört schöne typisch französische Straßenmusik dazu...das Leben ist hier noch in Ordnung, wenn die grandiose Kamera von Jean Bourgoin dem Zuschauer diese Idylle zeigt.
Anders bei Gerards Eltern. Denn Hulots Schwester (Adrienne Servantie) ist die Frau von Charles Arpel (Jean-Pierre Zola), dem reichen und mächtigen Generaldirektor einer Kunststofffabrik. Charles ist mit seinem Schwager,  dem Müsiggänger Hulot wenig zufrieden. Der muss endlich arbeiten und er besorgt ihm eine Stelle in seiner Fabrik. Was im Laufe der Geschichte zu extrem kuriosen Begebenheiten und "Katastrophen" führt. Die Arpels wohnen in einem Neubaugebiet - ihr Haus, die Möbel, die Gartenanlage - alles ist der letzte Schrei. Total modern, fast alles automatisch und das Mobiliar klinisch rein und unterkühlt. Das Neueste vom Neuen...fast wie in einem Zukunftsfilm, doch die Einrichtung hat so ihre Tücken. Madame Arpel gibt auch gerne mit diesem Haus bei den Nachbarn an. Allen scheint es zu gefallen...nur Gerard und sein Onkel fühlen sich in diesem kalten Ambiente nicht so wohl, die Gemütlichkeit bleibt auf der Strecke. Arpel klopft sich für seinen guten Geschmack auch gerne auf die Schulter, auch wenn er als Herr des Hauses durch seinen Dackel unbeabsichtigt in der Garage eingesperrt wird. Dies passierte nur, weil der kleine Vierbeiner mit seinem wedelnden Schwanz die Lichtschranke für das Garagentor betätigt hat. Ein krasser Gegensatz: Hier das sterile Zuhause und dort das witzige Streichespielen mit den Freunden. Der Junge kommt mit dreckigen Kleidern nach Hause. Madame Arpel will dem auch entgegenwirken und ihren Bruder endlich mal verkuppeln. Mit diesemansinnen wird die schrille Nachbarin eingeladen und zwei befreundete Ehepaare. Das kann nicht gutgehen, denn Hulot steht wie immer mit der Technik auf Kriegsfuß...





Je länger der Film seine Geschichte zeigt, desto besser wird er. Er steigert sich sozusagen. Die Gartenparty wird immer schräger, das Szenario versinkt immer mehr im Wahnsinn der neuen Zeit. Auch Hulot am zugewiesenen Arbeitsplatz sorgt für echte Lacher. Statt Gummischläuche gibts Gummiwurst in Dauerschleife. Die Villa Arpel ist ein echter Hingucker und jedes Möbelstück übertrifft das andere noch in Sachen schlechter Geschmack. Beide Welten sind genial gemacht - ein ganz dickes Lob an die Ausstatter und Szenebildner, da sind echte Wow-Effekte garantiert. Für mich ein schöner Film über den Romantiker, der mit leisem Humor gegen die neue schöne und technisierte Welt argumentiert.





Bewertung: 10 von 10 Punkten.

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