Freitag, 27. Januar 2017

Der lange Weg nach Cardiff





















Regie: John Ford

Immer unter fremden Sternen...

Zwischen 1937 und 1941 hatte der große John Ford eine seiner stärksten Schaffensphasen. In diesen vier Jahren entstanden Meisterwerke wie "Ringo", "So grün war mein Tal", "Der junge Mr. Lincoln" oder "Früchte des Zorns" - aber auch weniger bekannte und dennoch grandiose Klassiker wie "...dann kam der Orkan" und vor allem "Der lange Weg nach Cardiff".
Im Oscarjahr 1941 erhielt der heute leider stark in Vergessenheit geratene Abenteuerfilm dennoch sechs Oscar-Nominierungen als bester Film, als bestes adaptiertes Drehbuch (Dudley Nicols), für die beste Kamera (Gregg Toland), den bresten Schnitt (Sherman Todd) und für die visuellen Effekte.  Leider hat der Film keine Auszeichnung bekommen - aber für John Ford war es dennoch ein triumphaler Abend, denn für "Früchte des Zorns" bekam er seinen zweiten Regie-Oscar.
Die Geschichte spielt kurz nach Beginn des 2. Weltkrieges - die Mannschaft des Handelsfrachters Clencain liegt noch an irgendeinem Hafen in den Westindischen Inseln. Morgen soll es noch nach Baltimore gehen und dann endlich wieder in die Heimat England. Die Mannschaft hat viel Teamgeist und ist ein trinkfestes, buntes und lustiges Volk. Der Ire Driscoll (Thomas Mitchell), von allem "Drisk" genannt hat für die letzte Nacht eine Bootsladung mit Damen und Alkohol arrangiert - der Captain (Wilfried Lawson) hat dies erlaubt in dieser schwülen Nacht. Und das freut die Männer wie den Schweden Ole (John Wayne), der in seiner Heimat Bauer ist, aber bereits 10 Jahre auf See verbracht hat. Auch der etwas boshaft agierende Steward Cocky (Barry Fitzgerald), der nachdenkliche Donkeyman (Arthur Shields), der kernige Yank (Ward Bond) oder der stämmige Davis (Joseph Sawyer) sind von den Damen, die in ihren Obstkörben Rum anbieten mehr als begeistert. Nur der Engländer Smitty (Ian Hunter), ein schweigsamer Eigenbrötler, ist wenig angetan, dass das Schiff nach England zurückkehrt. Er wimmelt auch die temperamentvolle Bella (Raffaela Ottiano) ab, die ihm sichtlich Avancen macht. Zuviel Getränke - es artet wie so oft in eine muntere Keilerei aus, bis der Captain dem zügellosen Treiben ein Ende bereitet.
In Baltimore lädt das Schiff Sprengstoff ein, was den Matrosen zuerst gar nicht gefällt. Mit dieser hochexplosiven Fracht hocken sie auf einem Pulverfass, ausserdem wird das Schiff mit dieser Fracht an die Engländer ein potentielles Angriffsziel für deutsche U-Boote oder Flugzeuge. Die Heimfahrt birgt noch andere Gefahren. Als der Anker sich löst wird Yank bei dem Versuch wieder alles in Ordnung zu bringen, sehr schwer verletzt. Überraschend stirbt er wenige Stunden später, was seine Kameraden schwer belastet. Wenig später gerät der schweigsame Smitty in Verdacht ein deutscher Spion zu sein, doch die Wahrheit ist noch viel trauriger für die hartgesottenen Seemänner. Smitty hat seine Frau und die Kinder in England verlassen, weil er so schwer alkoholkrank ist. Als das Schiff endlich den Hafen von Cardiff ansteuert, wird der Frachter tatsächlich von deutschen Flugzeugen angegriffen. Smitty stirbt bei diesem Angriff. Die anderen wollen Ole auf jeden Fall zu einem schwedischen Schiff begleiten, denn er soll seine Mutter wieder sehen können und sie freuen sich für ihn, dass er der einzige sein wird, der nicht wieder hinaus auf See fahren muss. Doch im Hafengebiet von Cardiff lauert Gefahr. Die Amindra braucht noch Leute und da sie schlecht bezahlen, lösen sie ihr Personalproblem durchs Schanhaien. Die Seemänner werden in einer Kneipe mit Rum versorgt und leichte Mädchen wie Freda (Mildred Natwick) sollen die Männer zum Bleiben animieren. Das gewaltsame Rekrutieren gelingt mit dem Wirt und seinem Kompagnon. In die Falle gelockt wird der naive Ole so lange bearbeitet, bis er ein Getränk nimmt. Während seine Kumpels abgelenkt sind, wird er bewusstlos vom Schlafmittel, dass in sein Getränk gemischt wurde. Fast zu spät bermerken die Kameraden, was passiert ist. Sie können Ole befreien, doch Drisk bekommt einen Schlag auf den Kopf und bleibt auf der Amindra liegen, die dann ausläuft. Wenig später lesen die Männer, dass die Amindra torpediert und gesunken ist....




Für mich gehört diese eher unbekannte Klassiker zu den besten Filmen von John Ford. Die Seemannsgeschichten sind packend geschildert und haben sogar eine Menge poetischer Anteile. Es ist daher nicht schwer einige Ähnlichkeiten zu den französischen 30er Jahre Filmen des poetischen Realismus zu erkennen. Auf dem Schiff selbst hat Ford auf eine klaustrophobische Stimmung gesetzt. Die Szenen im Hafen sind düster und werden von Gregg Toland extrem atmosphärisch eingefangen. Der junge John Wayne ist in einer sehr untypischen Rolle als gutmütiger und ruhiger Matrose aus Schweden zu sehen. Für diese Rolle musste er extra Sprachunterricht nehmen, damit der schwedische Akzent authentisch ist.





Bewertung: 10 von 10 Punkten.




Mittwoch, 25. Januar 2017

Haben und Nichthaben

























Regie: Howard Hawks

Slim und Steve auf Martinique...

Ich liebe alle vier Filme, in denen Humphrey Bogart und Laureen Bacall gemeinsam auftraten. "Haben und Nichthaben" von Howard Hawks, der auf dem gleichnamigen Roman von Ernest Hemingway basiert, war der erste dieses großartigen Quartetts und gleichzeitig auch das Filmdebüt der damals erst 19jährigen Laureen Bacall. Ihre Haltung, ihre Blicke und noch dazu ihre heißer klingende Stimme wurden ihr Markenzeichen und aus dem Filmpaar wurde auch privat ein Paar.  "Haben und Nichthaben" gelang ein sehr gutes BoxOffice Ergebnis mit mit 3,65 Millionen Umsatz - beinahe genauso viel wie der ähnlich konzipierte Kultfilm "Casablanca" von Michael Curtiz, in dem Humphrey Bogart seinen legendären Filmstarstatus ausbauen konnte und die Schwedin Ingrid Bergman an seiner Seite hatte.
Dennoch wirkt "Haben und Nichthaben" weit weniger dramatisch und viel lockerer als "Casablanca". Aber die Ähnlichkeiten sind dennoch enorm. Im Howard Hawks Film mimt Bogey den rauen Seemann Harry "Steve" Morgan, der im Jahr 1940 auf Martinique lebt. Kontrolliert wird die Karibikinsel von Beamten der Vichy-Regierung. Immer wieder kommt es daher zu Auseinandersetzungen, wenn die Gestapo meint, dass sich Anhänger von Charles de Gaulle dort aufhalten. Wie Rick in "Casablanca" ist auch "Steve" ein Amerikaner, der sich aus allem heraushalten will. Er verdient seinen Lebensunterhalt mit seinem Motorboot. Dies können reiche Urlauber für die Hochseefischerei mieten. Sein derzeitiger Kunde Mr. Johnson (Walter Sande) schuldet ihm bereits 825 Dollar, hat aber kein Glück beim Angeln. Er will aber Steve das Geld am nächsten Tag in bar geben. Treuer Freund an der Seite von Steve ist der Alkoholiker Eddie (Walter Brennan). Am Abend taucht in Frenchys (Marc Dalio) auch die schöne und geheimnisvolle Marie Browning (Lauren Bacall) auf. Steve bemerkt, dass die Schöne die Brieftasche von Mr. Johnson klaut. Ein guter Grund die junge Frau zur Rede zu stellen, denn dort dürfte sich auch das Bargeld befinden, dass Steve zusteht. Doch in der Brieftasche befinden sich nur 60 Dollar, ein paar nicht unterschriebene Reiseschecks und ein Flugticket in die USA - Abflug natürlich vor der Zeit der vereinbarten Geldübergabe. Es kommt aber noch schlimmer: Er konfrontiert den Betrüger damit, doch in dem Moment als dieser die Reiseschecks unterschreiben möchte, wird er Opfer einer Schießerei, die sich in der Bar ereignet. Die Vichy Beamten haben vier deGaulle Anhänger aufgespürt und das Feuer eröffnet. Johnson liegt tot am Boden, das Geld ist verloren und so willigt Steve endlich auch in die Bitte von Frenchy ein, den Kämpfern für ein freies Frankreich zu helfen. Er nimmt den gefährlichen Auftrag an einen Kämpfer der Resistance Paul de Bursac (Walter Molnar) und dessen junge Frau Helene (Dolores Moran) mit seinem Boot von einer Nachbarinsel nach Martinique zu bringen. Doch auf der Heimfahrt werden sie von einem Patrouillenboot entdeckt...



Natürlich wird die Handlung durch die Flirts und das immer Näherkommen von Bogart und Bacall mächtig aufgelockert. Echte Funken knistern zwischen den Beiden und das freche beschwingte Ende ist eine echte Alternative zu dem tragischen Abschied in "Casablanca" und ...ich seh dir in die Augen, Kleines....Während bei Curtiz die beiden Liebenden die größere Sache über ihre Liebe stellen, retten sich in "Haben und Nichthaben" die beiden Verliebten aus der Isolation. Wenn schon Krieg gewinnen, dann bitte gemeinsam. Cool auch, dass Marie, die von Steve "Slim" genannt wird, ihre Unerschrockenheit und Verwegenheit demonstriert. Ausserdem singt sie, begleitet von Hoagy Carmichael auf dem Klavier (er heißt im Film aber Cricket und nicht "Sam") ganz heißer "How little we know". Für mich einer von Howard Hawks besten Filmen.



Bewertung: 10 von 10 Punkten.

Montag, 23. Januar 2017

Wer hat Angst vor Virginia Woolf ?

























Regie: Mike Nichols

Martha und George laden ein...

Imposante 13 Oscar-Nominierungen gingen 1967 an das Regiedebüt des Hollywood-Regisseurs Mike Nichols, der das berühmte Theaterstück "Wer hat Angst vor Virginia Woolf ?" des Dramatikers Edward Albee verfilmte. Dem Film, der dann bei der Oscar-Verleihung fünf Trophäen zugesprochen wurde, war ein genauso großer Erfolg wie das Bühnenstück.
Elizabeth Taylor gewann mit der Rolle der Martha ihren zweiten Oscar. Kameramann Haskell Wexler bekam für die schwarz-weiß Kamera den ersten seiner drei Auszeichnungen. Ausserdem wurde das beste Szenenbild, die besten Kostüme und Nebendarstellerin Sandy Dennis ausgezeichnet. Beinahe wäre es auch gelungen den erfolgreichsten Kassenhit des Jahres 1966 zu machen, denn das Einspielergebnis von 33,7 Millionen Dollar liegt nur geringfügig unter den beiden erfolgreichsten Filmen des Jahres: John Hustons "Bible" mit 34,9 Millionen und George Roy Hills episches Drama "Hawaii" mit 34,5 Millionen Dollar.
"Wer hat Angst vor Virginia Woolf ?" ist angelehnt an den Kinderrein "Wer hat Angst vor dem bösen Wolf ?" und zeigt eine schonungslose Eheabrechnung in der Zeit von Samstag Nacht bis Sonntag Morgen oder besser noch zwischen 1 Uhr 30 bis zum Sonnenaufgang. Der Geschichtsprofessor George (Richard Burton) und seine Frau Martha (Elizabeth Taylor) kehren spät von der Feier der Universität zurück. Marthas Vater ist der Dekan der Uni und George unterrichtet dort Geschichte. Schon in den ersten Dialogen erkennt man, dass Martha ein echtes Alkoholproblem hat und George nicht genug ehrgeizig ist. Denn er hätte schon längst der Leiter des Geschichtsabteilung sein können, wenn es da nicht Probleme zwischen dem dominanten Schwiegervater und dem zynischen Historiker geben würde, der früher auch schon Romane schrieb, die nie veröffentlicht wurden. Eigentlich ist George müde und will ins Bett - doch Martha sagt ihm, dass sie jetzt zu dieser späten Zeit noch Gäste erwarten würden. Sie hat den neuen Biologielehrer Nick (George Segal) und dessen Frau Honey (Sandy Dennis) eingeladen. Es kommt schon zum Streit bevor es dann tatsächlich an der Tür klingelt und als die Gäste Platz genommen haben macht Martha munter weiter ihren geduldigen George als Mensch, als Mann und als Historiker zum Versager abzustempeln. Die Kränkung sitzt tief, doch George ist es gewohnt zurückzuschlagen. Beide demütigen sich aufs heftigste und stellen sich bloß. Die beiden betrunkenen Gäste werden schonungslos in Martha und Georges Spiele mit einbezogen. So horcht George Nick geschickt aus und erfährt intime Dinge aus dessen noch jungem Eheleben. Martha versucht Nick sexuell anzumachen. Das Psychospiel des älteren Paares umfasst sämtliche Gefühlsfacetten von Liebe und Hass, aber immer destruktiv und zynisch formuliert. Nach "Demütige den Gastgeber" wird "Krieg die Gäste dran" gespielt - aus diesem ungleichen Wettbewerb gehen schließlich die Jungverheirateten als Verlierer hervor, denn die verborgenen Aspekte über die man normalerweise nicht redet, treten zutage und das vorherige Selbstvertrauen von Nick wird in den Grundfesten erschüttert. Am Morgen ist zwar vieles zerstört, doch es gibt auch die Chance für einen neuen besseren Anlauf...



"Dreckloch verdammtes" so vulgär und ordinär gelang einer großartigen Liz Taylor der zweite Oscar-Coup und ihr damaliger Mann ist ihr völlig ebenbürtig...eben gut, besser, am besten, bestialisch, so das Credo der dialoglastigen Nachtmittermachts-Party zu Viert. Klasse Schwarz-weiß Aufnahmen von haskell Wexler, das herrvorragende Drehbuch von Ernest Lehman. Und im Mittelpunkt das damals populärste Filmpaar weltweit. Auch sie küßten und schlugen sich. Von den vielen Versuchen die Burtons wirkungsvoll in einem Film in Szene zu setzen, wurde "Wer hat Angst vor Virginia Woolf ?" nicht nur der erfolgreichste (wenn man mal "Cleopatra" aussen vor lässt) sondern vor allem der Beste. Niemals war ein Schauspielerinnen-Oscar mehr verdient als dieser von Liz Taylor als streitsüchtige Martha, die gemeinsam mit ihrem ebenbürtigen Gatten eine schonungslose Boloßstellung und Abrechnung servieren mit allem drum und dran. Hass, Minderwertigkeitsgefühle, Ängste und Lebenslügen...alles innert von Stunden den Gästen schonungslos serviert.



Bewertung: 10 von 10 Punkten. 

Sonntag, 22. Januar 2017

Wiegenlied für eine Leiche

























Regie: Robert Aldrich

Hollywood Grand Guignol...

Nach dem riesigen Kinoerfolg (9 Millionen Dollar Kasse) von "Was geschah wirklich mit Baby Jane ?" hatte Hollywood Regisseur offensichtlich Spass noch ein weiteres grotesk-triviales Horrorstück im Stil des Grand Guignol zu inszenieren. Und es sollte wieder mit dem herrlich funktionierenden Grusel- Duo Bette Davis und Joan Crawford besetzt werden. Doch die Crawford wurde krank. Es ging aber auch das Gerücht herum, dass sie aus dem Unternehmen ausstieg, weil sie empfand, dass Aldrich Bette Davis bevorzugte. Vivien Leigh und Katharine Hepburn sagten ab - so kam es zur Verpflichtung der großartigen Olivia de Havilland, die es wunderbar beherrscht völlig gütige Charaktere zu spielen (Cousine Melanie in "Gone with the wind oder als Ruth in der Doppelrolle in "Dark Mirror") oder auch das krasse Gegenteil (Terry in "Dark Mirror" - die von Hass und Paranoia zerfressene Zwillingsschwester der gütigen Ruth). In "Wiegenlied für eine Leiche" durfte sie die Cousine der seltsamen und etwas durchgeknallten Bette Davis spielen. Und zwar etwas angelegt wie in Henry Kosters "Meine Cousine Rachel" - dort ist der Zuschauer auch erst mal damit beschäftigt diese Cousine richtig einzuschätzen. Ist sie gekommen um zu helfen oder hat sie etwa finstere Pläne ?
"Wiegenlied für eine Leiche" spielte wieder reichlich Geld ein - mit 8 Millionen Dollar Umsatz schaffte es Robert Aldrich auf Platz 20 der Kinojahrescharts. Und tatsächlich ist der Film beinahe genauso stark wie der Vorgänger - er fällt lediglich beim zweiten Sehen etwas ab, da man dann die vielen Wendungen des Psychothrillers mit fiesem Horroreinschlag bereits kennt. Und es gibt darin nicht nur ein Wiedersehen mit diesen Legenden der Leinwand Bette Davis und Olivia de Havilland.
Auch für die Nebenrollen hat Aldrich ein paar grandiose Kinostars der 40er verpflichtet: Joseph Cotten, Mary Astor, Agnes Moorehead oder Cecil Kellaway.
Ein langes Intro führt den Zuschauer zurück ins Jahr 1927, nach Louisiana. Dort hat sich die Southern Belle Charlotte Hollis (Bette Davis) in den verheirateten John Mayhew (Bruce Dern) verliebt. Die beiden haben vor nach Mexiko zu fliehen, er hat für sie sogar ein Lied "Hush Hush sweet Charlotte" geschrieben. Doch der Vater von Charlotte, der steinreiche und einflussreiche Big Sam Hollis (Victor Buono) erfährt von der untragbaren Liason und zwingt den Liebhaber sich von Charlotte fernzuhalten. Am gleichen Tag findet im Herrenhaus von Hollis ein riesiger Ball statt. John gibt Charlotte im Pavillon den Laufpass und wird später brutal ermordet. Die Hand wird ihm mit einem Schlachtermesser abgetrennt, ausserdem wird er enthauptet. Charlotte erscheint dann im Ballsaal mit einem blutigen Kleid.
37 Jahre später: Die Kinder im Ort machen sich schon seit Jahren einen Spass mit einer Mutprobe. Wer den Mut hat in der Dunkelheit in das Haus zu gehen, der ist ein Held. Ausserdem haben sie schon vor Jahren den Song von Charlottes Liebhaber als Spottlied umgedichtet. Im Ort gilt Charlotte, die nie heiratete, als verschrobene, reizbare und leicht verrückte Einzelgängerin, für die die Zeit stehen geblieben ist. Sie gilt jedoch als harmlos, obwohl sie immer die Hauptverdächtige in diesem bis heute unaufgeklärten Mordfall des Jahres 1927 war. Sie hat nur eine echte Bezugsperson - die Haushälterin Velma (Agnes Moorehead). Gelegentlich schaut der Arzt Dr. Drew Bayliss (Joseph Cotten) vorbei. Oder neuerdings Luke Standish (Wesley Addy), der Sheriff des Orts, denn Charlotte will das alte Anwesen nicht verlassen - obwohl die Räumung schon angesetzt ist. Die schrullige Charlotte wäre wohlhabend genug, um in einem viel schöneren Haus zu wohnen. Doch sie hängt an ihren Erinnerungen fest und glaubt die Räumung wäre ein Komplott von Jewel Mayhew (Mary Astor), der Witwe ihres ehemaligen Lovers. Nur gut, dass vielleicht Hilfe in der Person ihrer Cousine Miriam Deering (Olivia de Havilland) kommt - zumindest setzt Charlotte auf sie. Mit dem Einzug von Miriam mehren sich aber auch mysteriöse und schreckliche Vorkomnisse im Haus. Kann es sein, dass Charlotte nun endgültig den Verstand verliert. Zur gleichen Zeit taucht auch der Versicherungsagent Harry Willis (Cecil Kellaway) in der Stadt auf, der sich für den alten Mordfall besonders interessiert....




Natürlich spielt so ein erlesenes Ensemble mit riesiger Freude. Für Agnes Moorehead als Velma sprang sogar eine Oscar-Nominierung heraus. Nominiert wurde der Film ausserdem für die beste Kamera (Joseph Biroc), Art Directon (Glasgow & Bretton), Beste Kostüme (Norma Koch), bester Schnitt (Michael Luciano), beste Filmmusik (Frank de Vol), ausserdem wurde der Song selbst nominiert. Obwohl der Film viel weniger subtil ans Werk geht wie der Vorgänger. Dort bezieht die Geschichte ihren Horror aus dem Umgang der beiden Schwestern miteinander. In "Wiegenlied für eine Leiche" agiert Bette Davis noch überzogener - aber es funktioniert prächtig. Auch die Geschichte ist viel sadistischer und grob inszeniert. Eine eh schon durchgeknallte reiche Jungfrau soll wirklich verrückt im Sinne von "krank" gemacht werden. Dafür setzen die Übeltäter abgetrennte Körperteile ein, sie spielen nachts auf dem Klavier und rufen mit dem "Hush Hush Sweet Charlotte" ihr potentielles Opfer aus dem Bett. Eine Geschichte um Mord, Chaos und Täuschung. Sehr wendungsreich - wenn man an die vielen heutigen Filme mit den irren Wendungen denkt, dann ist "Wiegenlied für eine Leiche" sogar ein sehr zukunftsweisender Schocker. Für seine Entstehungszeit waren auch die Gruseleffekte recht krass. Aus heutiger Sicht natürlich schon etwas veraltet...aber es ist dennoch ein Vergnügen diesen kranken Südstaatencharakteren bei ihrem perfiden Spiel zuzusehen. Das Ende heißt Mord - aber auch Erlösung durch einen Brief.




Bewertung: 9 von 10 Punkten. 

Sonntag, 8. Januar 2017

Der Mann, der Liberty Valance erschoß

























Regie: John Ford

Legenden und Mythen des Wilden Westen...

"Der Mann, der Liberty Valance erschoß" von John Ford enstand 1962 - im gleichen Jahr wie Sam Peckinpahs "Sacramento" (Ride the High Country). Beide Filme begründen den Spätwestern, denn die alten Zeiten des Wilden Westens sind vorbei. Erhalten hat sich neben den müde gewordenen Helden und vor allem ein wehmütiger Blick auf die Vergangenheit. Denn die hat Legenden und Mythen erschaffen, die irgendwann zu Wahrheiten wurden. John Ford stellt dieses Phänomen in Frage und zeigt dem Zuschauer und macht den Mechanismus durchschaubar. Doch statt einer Demontage ist es eine der schönsten Liebeserklärungen für den Western, wenn das Bild des wegfahrenden Zuges, in den der Mann, der Liberty Valance sitzt, den Schlußpunkt setzt.
Es ist Senator Ransom "Ranse" Stoddard (James Stewart) mit seiner Frau Hallie (Vera Miles). Doch die Wahrheit ist anders: Ransoms Freund Tom Doniphan (John Wayne), der gerade in der kleinen Grenzstadt Shinbone beerdigt wurde, hat den Banditen Valance aus dem Hinterhalt erschossen. Er kann dies begründen mit der höheren Gerechtigkeit und hat aber den ungeschriebenen Ehrenkodex des Wilden Westens "Auge und Auge" gebrochen. "Es war glatter Mord, aber ich kann damit gut leben" wird Doniphan einmal in der Geschichte zu Stoddart sagen, der bisher annahm, dass er tatsächlich mit viel Glück das ungleiche Duell gegen Liberty Valance auf den Straßen von Shinbone für sich entschieden hat. Entschieden hat er dadürch auch, dass er - der Anwalt - das Mädchen bekommt, dass auch Doniphan liebte.
Aber die melancholische Geschichte fängt ganz anders und sehr hart an. Und sie wird von Stoddard, inzwischen angsehener Senator im Rückblick erzählt, denn der Chefredakteur der Lokalzeitung will um jeden Preis wissen, warum der berühmte Politiker zu der Beerdigung des unbekannten Tom Doniphan kommt. Und Stoddard fängt zu erzählen an: Als junger Mann reist Ransom Stoddard in einer Postkutsche in Richtung Westen. Er kommt von der Ostküste und will sich im Weiten Land niederlassen. Doch die Reise endet in Shinbone, denn die Kutsche wird von Liberty Valance (Lee Marvin) und seinen Männern (Lee van Cleef, Strother Martin) überfallen. Als Stoddard eine Frau verteidigt, wird er von dem Banditen beinahe zu Tode geschlagen. Schwerverletzt wird er von Doniphan gefunden und dessen Freund Pompey (Woody Stroode) gefunden und in die nächste Stadt Shinbone gebracht. Die junge Hallie (Vera Miles), die im Wirtshaus von von Peter (John Qualen) und Nora Ericson (Jeanette Nolan) arbeitet, kümmert sich um den Verletzten Mann. Eigentlich müsste Sheriff Link Appleyard (Andy Devine) den Verbrecher verhaften, aber er ist ein Hasenfuß und so werden die Banditen weiterhin in der Gegend ihr Unwesen mit Raub und Schlägereien treiben können. Auch macht sich der Herausgeber der Lokalzeitung Dutton Peabody (Edmond O´Brien) bei Liberty unbeliebt, weil er unverfälscht über die Geschehnisse im Umkreis berichtet. Über die Macht der Viehbarone und über deren Verstrickungen zu den Banditen. Liberty Valance hat es ausserdem immer wieder auf Stoddard abgesehen, er weiß genau, dass dieser mit seinen Gesetzesbüchern keinen Stich gegen ihn - den großen Revolverhelden - machen kann. Die Waffen der Gerechtigkeit und des geltenden Rechts versagen, so stellt sich der schießunerfahrene Stoddard dennoch zum ungleichen Duell. Der Bandit fällt tot zu Boden. Stoddard wird umjübelt - er wurde Sieger im Duell und hat Liberty Valance besiegt. Eine Legende wird geboren...



"Der Mann, der Liberty Valance erschoß" ist der vorletzte Western des großen John Ford und für mich sein zweitbester nach "Der schwarze Falke". An diesem Film stimmt alles - großen Anteil am Erfolg hatte sicherlich das perfekt herausgearbeitete Drehbuch von James Warner Beelah und Willis Goldbeck. Der Score von Cyril C. Mockridge und Alfred Newman verströmt eine gewisse Sentimentalität, die aber sehr gut zum Thema "Glorifizierung längst vergangener Zeiten" passt und etwas Wehmut vermittelt. Ausserdem wie so oft eine großartige Leistung des Kameramanns William H. Clothier, der hier wunderschöne schwarz-weiß Bilder erschuf.
Getragen wird dieser herrliche klassiker aber von den hervorragenden Schauspielerleistungen von John Wayne und James Stewart. Die beiden Westerntitanen liefern hier ganz starke Rollen ab. Zudem sind auch die Nebenrollen mit Vera Miles, Lee Marvin, Woody Stroode, Andy Devine oder John Carradine perfekt besetzt.




 Bewertung: 10 von 10 Punkten.