Samstag, 25. April 2015

Kleider machen Leute

























Regie: Helmut Käutner

Schein und Sein...

Nach der Novelle "Kleider machen Leute" des Schweizer Dichters Gottfiried Keller entstand im Jahre 1940 Helmut Käutners gleichnamiger Film. Die Geschichte, die in der Schweiz des Biedermeiers (zwischen 1815 bis 1848) spielt, wurde erstmals 1874 im zweiten Band der Novellensammlung "Die Leute von Seldwyla" veröffentlicht und gehört immer noch zu den bekanntesten Erzählungen der deutsprachigen Literatur. Käutners Film sprüht vor Detailfreude und gleich von Anfang an wid der Zuschauer in eine märchenhafte Stimmung versetzt. Es ist Winter und im Ort wird das Dreikönigsfest mit einem Umzug durch den Schnee gefeiert. Fasnacht naht und der bei einem Schneidermeister beschäftigte Geselle Wenzel (Heinz Rühmann) träumt wieder einmal von einem besseren Leben als vornehmer Herr. Im Traum sieht er sich als dieser begehrte und gut gekleidete Herr von großem Ansehen. In der Realiät bleibt ihm aber nur sein armseliges Dasein und sein Können eben diese edlen Anzüge und Fräcke für die vornehme Gesellschaft zu schneidern. Am anderen Morgen soll der Frack für den beleibten Bürgermeister fertig werden, daher arbeitet Wenzel die Nacht durch. Doch beinahe traumwandlerisch passt er den Frack auf seine eigene Kröpergröße an. Am anderen Morgen ist die Katastrophe perfekt. Nach dem Zerwürfnis mit dem verärgerten Bürgermeister wirft der Meister seinen Gesellen hinaus. Anstelle des noch anstehenden Lohns behält Wenzel den Frack und trägt ihn auf seiner nunmehr beginnenden Wanderung zu einer anderen Arbeitsstelle. Er trifft auf dieser Wanderung auf den Puppenspieler Christoffel (Erich Ponto) und sitzt dann alsbald in einer vorbeikommenden Kutsche aus Basel, die ins nahegelegene Städtchen Goldach gebracht werden soll. Der Kutscher meint, dass sein einziger Fahrgast ein inkognito reisender Graf aus dem "Russischen" ist. Obwohl Wenzel dies immer wieder verleugnet, nimmt die Geschichte seinen Lauf und auch in Goldach wird er mit seiner scheinbar neuen Identität als Graf weiter hofiert. Er lernt dort das hübsche Fräulein Nettchen (Hertha Feiler) kennen, Tochter des wohlhabenden Tuchhändlers und Amtsrats von Goldach. Sie ist auch die Verlobte des Goldacher Schneidermeisters Melcher Böhni (Rudolf Schündler), der als einziger dem "Grafen" misstrauisch gesinnt ist. Widerstrebend, zugleich aber mangels eigener Geldmittel fügt Wenzel sich in die neue Rolle, die ihm aufgrund seiner Kleidung auch erlaubt, ohne Bargeld auszukommen.
Das stattliche Gefährt erregt schon bei der Ankunft in Goldach Aufsehen. Kaum hat es vor dem Gasthof "zur Waage"angehalten, ist es schon von staunendem Volk und dienstfertigem Personal umringt. Alle sind interessiert an diesem schwermütigen Adligen, der in der Stadt angekommen ist.  Der Wirt lässt prestigemässig vom Besten auftragen, was Küche und Keller bieten. Wenzel, in größter Verlegenheit, isst und trinkt nur zimperlich, was ihm sogleich als besondere Vornehmheit ausgelegt wird. Tatsächlich erwartet auch das im Hotel abgestiegene Fräulien von Serafin (Hilde Sessak) einen solchen Grafen. Währenddessen gewinnt Wenzel im Spiel mit den entzückten Ortshonorationen eine Menge Geld und verliert sein Herz alsbald an Nettchen. Noch komplizierter wird das Spiel als der echte Adlige aus Russland im Ort eintrifft. Dieser Graf Alexej Stroganoff (Fritz Odemar) erkennt sehr schnell das Verwechslungspiel und entscheidet sich weiter zu spielen...er macht sich zum Komplizen und gibt sich als Diener des Grafen aus. Im Goldacher Karneval wird die Wahrheit aber aufgedeckt...




Und mit dieser ausufernden Sequenz um die Demaskierung Wenzels mit Hilfe des Maskentanzes der Deldwyler Narren, die einen eigenartigen Toten- und Gespenstertanz aufführen, wird aus dem märchenhaften Charakter der Erzählung eine bitterböse Parabel über die "gute" Gesellschaft und ihre Strukturen mit zunächste hochgejubelten und hofierten Schwindelexistenzen. Der Protagonist wird aber auch sehr schnell wie eine heiße Kartoffel fallen gelasen und auf die Entlarvung folgt die Strafe. Auch wenn Käutner ein HappyEnd für seinen Schneider vorgesehen hat, die Geschichte hat Potential, dass es einem stellenweise eiskalt den Rücken runterläuft.
Der Inszenierungstil Käutners ist eindeutig inspiriert von dem Poetischen Realismus des französischen Films der 30er Jahre. Leider hat "Kleider machen Leute" nie ganz die Wertschätzung wie "Große Freiheit Nr. 7", "Unter den Brücken", "Der Hauptmann von Köpenick", "Des Teufels General" oder "Romanze in Moll" erringen können. Dabei ist die tragische Geschichte sehr geschickt in einer Mischung aus Komik und Romantik verpackt und wer sich auf den Film einlässt wird durchaus die versteckten boshaften Subtexte entdecken können. Darüberhinaus sind die Bildkompositionen von "Kleider machen Leute" atmosphärisch brillant und für mich sogar ein filmsicher Verwandter von Cocteaus "La Belle et la bete" aus dem Jahr 1946. Wie in diesem weltberühmten Meisterwerk des poetischen Films gelingt auch Helmut Käutner eine großartige märchenhafte Aura.
 





Bewertung: 9 von 10 Punkten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen