Freitag, 27. Juli 2018

Herr im Haus bin ich

























Regie: David Lean

Schuhmacher und Bräutigam...

"Herr im Haus bin ich" entstand im Jahr 1954 und gehört heute zu den weniger bekannten Filmen des legendären britischen Regisseurs David Lean.
Der Film ist aber sehr originell und auch very british - dabei anders als Leans frühere Werke aus den 40ern, die eher etwas düster gehalten waren und als Nachfolgefilme von "Herr im Haus bin ich" kamen auch bald Leans magische Kino-Blockbuster. Die Bühnenkomödie "Hobsons Choice" (so lautet auch der Originaltitel des Films) von Harold Brickhouse aus dem Jahr 1915 stand für den Film Pate und obwohl der Humor überwiegt, kann man Leans Film als gelungene Tragikomödie bezeichnen.
Dabei sprang für den großen Charles Laughton auch eine Paraderolle als tyrannischer Schuhverkäufer heraus - natürlich ist er der Star des Films, aber er ordnet sich auch sehr gut in das hervorragende Ensemble ein, in dem Brenda de Banzie (Der Mann, der zuviel wußte) und John Mills eine ebenso gute Leistung zeigen.
Die schönen Schwarz-weiß Aufnahmen von Kameramann Jack Hildyard lassen für den Zuschauer das Zeitalter am Ende der Ära von Königin Viktoria wieder aufleben. Ort des Geschehens ist die Stadt Salford in Lancashire, irgendwann um 1880. Henry Horatio Hobson (Charles Laughton) führt ein gut gehendes Schuhgeschäft und dies mit eiserner Hand. Seine Frau ist verstorben und er hat es sich zur Angewohnheit gemacht seine drei Töchter Maggie (Brenda de Banzie), Alice (Daphne Anderson) und Vicky (Prunella Scales) im Geschäft herumzukommandieren. Er geniest das Leben als tyrannischer Despot und lässt es sich nicht nehmen jeden Abend im seiner Stammkneipe "Moonraker" aufzutauchen und dort mit befreundeten Geschäftsleuten immer etwas zuviel zu trinken. Torkelnd findet er mehr schlecht als recht den Weg nach Hause und pennt dann aus. Nur gut, dass er so gute Hilfskräfte wie den naiven Willie Mossop (John Mills) unter dem Personal hat. Der arbeitet schon sehr lange für Hobson und seine Handwerkskunst wird in den höchsten Kreisen, sogar von der steinreichen Mrs. Hepworth (Helen Haye) gelobt. Alice und Vicky wollen heiraten und mit Albert Prosser (Richard Watts) und Freddy Beenstock (Derek Blomfield) stehen schon zwei Herren in den Startlöchern. Doch der alte Geizkragen Hobson weigert sich die gewünschte Mitgift von 500 Pfund zu zahlen. So wird nichts mit den Heiratsplänen. Die ältere Tochter Maggie hat das Alter von 30 Jahren auch schon etwas überschritten und der Vater ist sich sicher, dass sie keinen Mann mehr abbekommen wird. Doch Maggie, der gute Geist des Hauses und auch diejenige, die den Laden im Grunde im Alleingang schmeissen könnte, denkt nicht daran als alte Jungfer bei ihrem Vater zu bleiben. Sie fasst den Plan innert kurzer Zeit zu heiraten und der Bräutigam steht auch schon fest: Es ist der fleißige Willie, der von seinem Glück noch gar nichts ahnt...



Diese Grundkonstellation führt zu einer sehr eigenwilligen Dynamik, denen die Figuren der Geschichte dann irgendwann unterworfen sind. Der Vater, der glaubt er wäre der Klügste, muss am Ende einsehen, dass seine fleißige und zielstrebige Tochter Maggie in allen Belangen das Sagen hat, weil sie einen echten Lebensplan hat. Dem Vater wird irgendwann im Lauf der Geschichte immer mehr bewusst, dass er zwar ein ungehobeltes Mundwerk und eine tyrannische Ader hat, aber nicht alleine die Geschicke seines Ladens leiten kann. Dazu bedarf es eines längeren Prozesses und in einer klasse Szene zeigt Lean dem Zuschauer die Auswirkungen von langjähriger Alkoholsucht. Eine große Maus am Bett irritiert den Säufer, der auch noch andere Erscheinungen nach dieser Zechtour hat.
Zu seiner Zeit hatte der Film großen Erfolg - er wurde bei der Berlinale mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet, ebenso erhielt er 1955 den British Film Award als bester Film des Jahres.




Bewertung: 8 von 10 Punkten.

Nanuk, der Eskimo

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Regie: Robert J. Flaherty
 
Eins mit der Natur...
 
Robert J. Flaherty wird als der "Vater des Dokumentarfilms" bezeichnet, auch wenn sein Welterfolg "Nanuk, der Eskimo" (Originaltitel: Nanook of the North") aus dem Jahr 1922 gar nicht der erste Kinobeitrag dieses Genres war. Der deutsche Bergfilmpionier Arnold Fanck hatte bereits vor ihm Erfolg in diesem Genre. Zur damaligen Zeit waren der Dokumentarfilm noch ganz anders konzipiert als heute, er wollte genauso erfolgreich und kommerziell sein wie der Spielfilm. Die New York Times war bei der Uraufführung auch extrem entzückt "Neben diesem Film sind die üblichen Lichtspiele, die so genannten dramatischen Werke der Leinwand, so dünn und blaß wie das Zelluloid, auf das sie gedruckt sind" - In der Nähe der kanadischen Grenze aufgewachsen, zog es Flaherty schon in jungen Jahren in die Wildnis. Vor einer seiner Reisen schlug ihm ein Bekannter vor, eine Filmkamera mitzunehmen. Zuerst zeigte er sein Material lediglich auf Privatvorführungen in Toronto. Die anwesenden Zuschauer waren begeistert. 1916 filmte er nahe dem Ort Inukjuag in der Arktis von Quebec, Kanada. Beim Verschiffen entzundete sich aber das Filmmaterial. Alles ging in Flammen auf und wurde zerstört. Erst 4 Jahre später hatte Flaherty genug Geld zusammen, um erneut in diese Gegend zurückzukehren und noch einmal zu filmen. Die verlorenen Szenen kannte er ja noch und stellte diese nach. Er konzentrierte sich dabei aber vor allem auf den Inuk Nanuk, einem gefeierten Jäger und dessen Familie. Die beiden Frauen Nyla und Cunayou, der kleine Sohn Allee und Nylas vier Monate alte Baby Rainbow begleiten den stolzen beim alltäglichen Leben. Dabei muss die Familie im Jahreslauf immer mal wieder auf Wanderschaft, denn die Jagd und der damit ständige Überlebenskampf machen dies notwendig. Man sieht die Familie auf dieser Jagdwanderung. Man sieht wie Nanuk die erbeuteten Fälle auf der Handelsstation gegen Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände eintauscht und der Zuschauer wird Zeuge wie ein Iglu aufgebaut wird, die der ganzen Familie Platz und Schutz vor der Kälte bringt. Ausserdem erleben wir ihn als Jäger, wenn er mit anderen Männern auf Robben- oder Walrossjagd geht. Wir sehen den Eskimos zu, wie sie Fische fangen und welchen hohen Stellenwert die Schlittenhunde bei Ihnen einnehmen. 



Neben der Schönheit dieser eiskalten Gegend, zeigt sich auch die Härte dieses Lebens in der Arktis. Bei einem plötzlichen Schneesturm gerät die Familie ins Lebensgefahr und immer wieder wird die Familie mit dem Hunger konfrontiert. Tragisch ist auch das tatsächliche Schicksal dieser Familie, denn 2 Jahre später starb die ganze Familie tatsächlich während eines solchen Schneesturms. Umso eindringlicher sind diese gezeigten Szenen, wenn man dies weiß. Denn so zeigt sich doch - trotz der Inszenierung der einzelnen Szenen - die Authentizität dieser Bilder. Sie wurden zwar gestellt für den Regisseur, für den Zuschauer - aber es sind Bilder des echten Lebens. "Nanuk, der Eskimo" ist einerseits eine romantische Ode an die Natur und an den Mut des Menschen, sich der unbändigen und feindlichen Natur zu stellen - und trotzdem darin sein Glück zu finden. Weil man Teil dieses Systems ist. Flaherty hat viel Alltag dieser Menschen gezeigt und sie dem Zuschauer so auch sehr nahe gebracht. Und trotz der Härte schimmert auch eine gewisse heile, heilende, fast heilige Welt durch. Der Mensch ist zwar gefordert von dieser Natur, aber er fühlt sich so eins mit ihr und alles ist im Einklang miteinander verbunden.





Bewertung: 8 von 10 Punkten.

Pläsier

























Regie: Max Ophüls

Freude und Vergänglichkeit....

Der 1951 entstandene Episodenfilm "Pläsier" ist einer der weniger bekannten Filme des deutsch-französischen Filmregisseurs Max Ophüls und entstand zwischen seinen beiden Meisterwerken "Der Reigen" und "Madame de.." Alle drei Episoden basieren auf den Novellen des Schriftstellers Guy de Maupassant. Dabei nimmt der Mittelteil des Films "Das Haus Tellier" auch den größten Raum ein, dieser Part ist deutlich länger als die beiden anderen Kurzgeschichten. "Pläsier" beginnt mit "Der Tänzer" und zeigt eine rauschende Ballnacht im Cabaret-Montmarte, alles ist ausgelassen und keiner kann sich der Partystimmung entziehen. Sofort fällt auch ein Tänzer (dahinter steckt Jean Galland) mit Maske auf, der wie entfesselt den Tanzboden beherrscht. Plötzlich bricht er erschöpft zusammen. Ein Arzt (Claude Dauphin) ist zufällig unter den Gästen. Dieser wird gerufen damit er erste Hilfe leisten kann. Als der die Maske des Bewusstlosen öffnet, entdeckt er das Gesicht eines Greises. Er bringt den Mann nach Hause, wo dessen Frau (Gaby Morlay) wartet und dem Doktor die tragische Geschichte erzählt vom alternden Ehemann, der immer noch der Jugend nachweint. Eine Jugend, als er der Schwarm vieler Frauen war. Somit hat das Pläsier am Ende der Geschichte einen Widerhaken. Den der unwiederbringbaren verlorenen Jugendzeit. Am Ende steht das Alter. Auch in Episode 2 herrscht Pläsier. Vor allem für die guten Bürger der Hafenstadt Le Havre. Die vergnügen sich am Abend sehr oft bei Madame Tellier (Madeleine Renaud), die das Freudenhaus der Stadt führt. Die dort arbeitenden Frauen wie Madame Rosa (Danielle Darieux), Madame Fernande (Paulette Gubost), Madame Raphaele (Mila Parely) oder Madame Flora (Ginette Leclerc) sind äusserst beliebt bei den vornehmen Herren. Eines Tages aber ist das beliebte Etablissement geschlossen und keiner der Kunden weiß warum. Enttäuscht machen sie noch gemeinsam einen Spaziergang durch die Stadt, bekommen aber Streit untereinander und trennen sich früher oder später im Groll. Zuhause wartet der Alltag. Einer der Männer läuft dann noch einmal zum Haus Tellier und entdeckt auf dem Boden eine Nachricht "Geschlossen wegen der Erstkommunion von Madame Telliers Nichte" - tatsächlich begeben sich die Damen deshalb auf eine Zugreise aufs Land. Am Bahnhof werden sie vom geschmückten Pferdewagen von Mosieur Rivette (Jean Gabin), dem Cousin von Madame Tellier, abgeholt. Das Zusammentreffen zwischen den Bauern und den leichten Mädchen aus der Stadt erweist sich aber als geglückt. Sogar in der Kirche - wo alle von der religiösen Stimmung ergriffen werden - sind die Menschen für einen Augenblick eine echte Gemeinschaft. Rivette verguckt sich in Rosa, doch die Frauen müssen wieder abfahren - am anderen Abend darf das Etablissement in Le Havre nicht noch einmal geschlossen sein. Tatsächlich öffnet das Haus wieder und die Männer freuen sich noch mehr als sonst auf die Gesellschaft der Damen. In Episode 3 heißt "Das Modell" und dort wird der Zuschauer mit Lust und Liebe konfrontiert, die leider nur eine kurze Haltbarkeit hat. Denn der Maler Jean (Daniel Gelin) hat genug von seiner einstigen großen Liebe,  seiner Muse Josephine (Simone Simon). Die Leidenschaft war groß und heftig und umso heftiger ist nun der Alltag. Der Maler fühlt sich beherrscht und es kommt ständig zum Streit. Der ändert beinahe tödlich, denn die verschmähte Geliebte stürzt sich aus dem Fenster. Von nun an gelähmt, hat sie sich nun mit Zwang den Maler an sich weiter gebunden. Sie bleiben zusammen...sind aber beide unglücklich.



 Mit liebevoller Sorgfalt sind alle Episoden gezeichnet, sie haben etwas poetisches, vermeiden aber große Sentimentalität. Am stärksten ist zweifelsohne die zweite Episode, bei dem die Freudenmädchen aufs Land fahren. Hier hat Ophüls perfekt das jeweilige Milieu gezeichnet und gefällt mit einer sinnlichen Heiterkeit, die von Ophüls mit leichter Hand und kunstfertigen Kameraführung inszeniert wurde.




Bewertung: 7 von 10 Punkten. 

Dienstag, 24. Juli 2018

Der Mann mit dem weißen Anzug

Regie: Alexander MacKendrick

Unzerstörbare Kunstfaser...

Seit mehr als 100 Jahren gibt es die Ealing Filmproduktionsgesellschaft in London. Das Filmstudio hat vor allem in den 40er und 50er Jahren zahlreiche Kinohits hervorgebracht, die heute zu den großen Klassikern des britischen Films zählen. Das Studio versuchte es nach dem Krieg mit verschiendenen Genre. So entstanden Horrorfilme wie "Traum ohne Ende" oder Abenteuerfilme wie "Scotts letzte Fahrt". Den größten Erfolg hatte das Studio aber mit seinen damaligen Komödien, Werke wie "Die kleinen Detektive", "Whisky Galore", "Einmal Millionär sein", "Adel verpflichtet" oder "Der Mann im weißen Anzug" wurden zum Inbegriff des britischen, scharz angehauchten Humor.
Die Ealing Studios förderten auch die Riesenkarriere von Alec Guinness, der bereits durch die Lean Verfilmungen "Geheimnisvolle Erbschaft" und "Oliver Twist" auf sich aufmerksam machte - mit der 8fach Rolle in "Adel verpflichtet" gelang ihm dann der weltweite Durchbruch. Auch in Alexander MacKendricks superber Komödie "Der Mann mit dem weißen Anzug" liefert der Schauspieler natürlich ebenfalls eine Performance vom Feinsten.
Der 1951 entstandene Film hat als Grundgerüst sogar einen stark sozialkritischen Hintergrund und übt pointiert Kritik an der immer stärker werdenden Industrialisierung - er zeigt die Wirtschaftsbosse auf der einen Seite und die Arbeiterschaft auf der anderen Seite, die durch eine Gewerkschaft etwas mehr Rechte eingeräumt bekommen. Die Klassengesellschaft ist aber immer präsent in "Der Mann mit dem weißen Anzug", der Sidney Stratton (Alec Guinness) heißt und als kleiner Angestellter in der aufstreibenden Textil Firma von Michael Corland (Michael Gough) arbeitet. Der Fabrikant neue Geldgeber und was liegt da näher als den noch mächtigeren Textilhersteller Alex Birnley (Cecil Parker) als Investor zu gewinnen, zumal Corland ja mit Birnleys Tochter Daphne (Joan Greenwood) verlobt ist. Stratton ist ein schlauer Kopf, der in Corlands Firma heimlich an einer bahnbrechenden Erfindung arbeitet: Die absolut reißfeste Kunstfaser, die auch noch schmutzabweisend ist. Doch seine verbotenen Versuche fallen auf, er wird bei Corland entlassen. Eine neue Anstellung findet er bei Birnley und Stratton arbeitet zunächst im Lager, lernt dabei auch die resolute Bertha (Vida Hope) kennen. Doch Stratton wäre nicht Stratton, wenn er nicht wieder alles versuchen würde, um seine Experimente voranzutreiben, von denen er glaubt, dass sie ihn ans gewünschte Ziel bringen. Doch wieder fliegt er auf. Er wird entlassen, doch als Birnley von Strattons fixer Idee hört und auch dass dieser beinahe am Ziel war, stellt er ihn zu viel besseren Bedingungen wieder ein. Und tatsächlich gelingt es Stratton den perfekten Anzug herzustellen, der unzerstörbar ist. Mit fatalen Folgen für den Erfinder. Das wirtschaftliche und politische Establishment sieht die Wirtschaftskraft in höchster Gefahr und die Arbeiter bangen um ihre Arbeitsplätze...



Diese ernsthafte Komponente hat Alexander Mackendrick mit viel Augenzwinkern in Szene gesetzt und dabei gelang ihm einer seiner besten Filme, der qualitativ seinem bekanntesten Film "Ladykillers" aus dem Jahr 1955 in nichts nachsteht. Wann immer Sidney Strattons Experimentierapparat blubbert oder wann immer er an seine rostfreie Faser denkt, setzt im Movie die Musik von Benjamin Frankel ein. Der liefert einen sehr obskuren Samba ab, der aus Blasen, Gurgeln und viel Wuffs besteht. Dieser Sound wurde nicht mit traditionellen Musikinstrumenten eingespielt, sondern mit Laborgeräten und einem Glas- und einem Messingrohr. Dies passt perfekt zu der dynamisch angelegten Handlung, die das unzerstörbare Gewebe preist und auch aus ganz menschlichen Gesichtspunkten wieder verteufeln muss. Am Ende steht ein neuer Anfang, was dem Zuschauer auch durch das Schlußbild wieder in gute Laune versetzt. Douglas Slocombe war für die realistischen Schwarz-Weiß Aufnahmen in den Fabriken verantwortlich - der Film wurde vor kurzem in der Umfrage vom British film Institute über die 100 besten britischen Filme auf den respektablen 58. Rang gewählt.




Bewertung: 9 von 10 Punkten. 

Sonntag, 22. Juli 2018

Lolita

























Regie: Stanley Kubrick

Verbotenes Begehren...

Es ist schon erstaunlich, dass es Stanley Kubrik im Jahr 1962 gelang einen so skandalösen Filmstoff wie "Lolita" an den Zensoren vorbeizuschleusen und für die Freigabe durchzuwinken. "Lolita" entstand nach Vladimir Nabokovs gleichnamigen Roman. Das Drehbuch verfasste der Schriftsteller selbst, Kubrick bestand aber darauf das Alter von Dolores Haze leicht anzuheben. So ist die 12jährige Roman-Lolita im Film bereits knapp 14 Jahre alt - es ist aber dennoch bemerkenswert, dass "Lolita" ohne die Grenzen der Zensur werkgetreu verfilmt und dem Publikum auch so präsentiert werden konnte.
Der Film beschreibt das Tabuthema der Parthenophilie, dieses sexuell erotische Interesse erwachsener Männer an pubertierenden Mädchen. Im Grunde die Unmöglichkeit der verbotenen pädophilen Liebesbeziehung.
Mit diesem anstößigen Begehren ist der Literaturwissenschaftler Humbert Humbert (James Mason) konfrontiert, der den Sommer in Ramsdale, New Hampshire verbringen möchte, bevor er seine in Beardsley, Ohio antreten wird. Auf seiner Suche nach einer geeigneten ruhigen Wohnung, besichtigt er auch das Haus der verwitweten Charlotte Haze (Shelley Winters), die sehr gerne im Leopardenkostüm herumläuft. Die Frau ist aufgeschlossen und kunstinteressiert und ist sofort daran interessiert, dass der attraktive Intellektuelle bei ihr einzieht. Doch der zögert noch...bis zu dem Zeitpunkt als Dolores ihm den Garten zeigt und ihre dort in der Sonne liegende frühreife Tochter Dolores (Sue Lyon). Damit entsteht spontan der Mietvertrag und jeden Tag ist Humbert von dem jungen Mädchen mehr fasziniert. Die Mutter deutet aber viel auf sich und verliebt sich in den neuen Mieter, der so zuvorkommend zu ihr ist und sich um ihre Kleine auch wie eine liebevoller Vater kümmert. Bei einer Party unterstützen John und Jean Farlow (Jerry Stovin, Diana Decker) die Ambitonen von Dolores wieder eine Partnerschaft einzugehen. Unter den Gästen ist auch der Lebenmann und Filmproduzent Clare Quilty (Peter Sellers) in Begleitung der Avantgarde-Künstlerin Vivian Darkbloom (Marianne Stone), die wie eine Kopie von Morticia Adams aussieht.
Humberts Augen sehen aber nur seine angebetete Lolita, die von ihrer Mutter spontan in einem Ferienlager untergebracht wird. Als Dolores ihm einen Heiratsantrag macht, willigt er schließlich ein - so kann er immerhin zukünftig als "Vater" nahe bei seinem Objekt der Begierde sein. Doch er macht einen verhängnisvollen Fehler, weil er über seine Gefühle und Gedanken Tagebuch führte. Dolores liest dies heimlich und kommt dahinter, dass sein Interesse nur der frühreifen Tochter gilt. Sie konfrontiert Humbert mit diesen Wahrheiten. Der hat zum ersten Mal Mordgedanken in sich, doch zur Ausführung kommt es nicht. Ein Unfall draußen vor der Haustür geschieht. Dolores in ihrer Verzweiflung rannte auf die straße und wird dort von einem Auto erfasst. Sie ist auf der Stelle tot. Nun liegt es am Humbert Lolita zu benachrichtigen. Doch er wartet damit ab und holt das Mädchen vom Ferienlager ab. Er informiert Lolita, dass die Mutter im Krankenhaus wäre und nimmt statdessen mit seinem Töchterchen irgendwo ein Hotelzimmer...



Der Film beginnt allerdings mit der Konfrontationsszene zwischen Humbert Humbert und seinem pädophilen Rivalen Clare Quilty, der von Lolita irgendwann im Laufe der Geschichte als "Genie" bezeichnet wird - und auch als den einzigen Mann, den sie je geliebt hatte. So ist der Beginn des Zusammenseins zwischen Vater Humbert und Lolita auch der Beginn des doppelten Bodens, indem der Mann sämtlichen Halt verliert und von dem Mädchen an der Nase herum geführt und ausgenutzt wird. Es wird der Beginn einer einseitigen Leidenschaft, die Lolita zu Nutzen weiß, und zu einer gemeinsamen zweijährigen Odyssee quer durch die USA führt. Natürlich auch begleitet vom Klatsch einiger Nachbarn, denn der Streit, den Vater und Tochter lautstark ausfechten, hört sich an wie der Streit zankender und eifersüchtiger Ehepartner. Der britische Kameramann Oswald Morris war verantwortlich für die Optik - seine Bilder wirken nüchtern und es schimmert auch etwas die Hoffnungslosigkeit durch. Auch wenn sich der Protagonist dagegen auflehnt und sein Glück zu Zweit anstrebt. Er ist aber von Beginn an der Verlierer, da er seine Obsessionen nicht mehr steuern kann.
Im Film selbst erweist sich Peter Sellers als Verwandlungskünstler - er darf sich als andere Personen verkleiden, um Humbert zu täuschen. So taucht er auch als Polizist und als Schulpsychologe Dr. Zemph auf. Im nächsten gemeinsamen Projekt engagierte Kubrick wieder Peter Sellers für drei verschiedene Rollen im Film "Dr. Seltsam".
Das Drehbuch von Vladimir Nabokov wurde für den Oscar nominiert. Der Film selbst spielte 9 Millionen Dollar ein - ein ganz guter Erfolg, aber kein Mega-Blockbuster. Dies wäre er vielleicht geworden, wenn Kubrick das Ganze mit mehr Erotik aufgepumpt hätte und mehr Skandal mit dem Stoff provoziert hätte. Interessanterweise hat sich der Film aber trotz der eher subtilen Herangehensweise mit dem Tabuthema gut gehalten - er wirkt erotisch, absurd, obsessiv und von bösem Schwarzen Humor gekennzeichnet.



Bewertung: 9 von 10 Punkten. 

Lockender Lorbeer

























Regie: Lindsay Anderson

Aus dem Leben eines Rugbystars...

Der britische Regisseur Lindsay Anderson (1923 bis 1994) drehte zuerst Kurz- und Dokumentarfilme. Sein "Thursday´s Children" wurde 1954 mit einem Oscar in der Kategorie "Bester Dokumentarkurzfilm" ausgezeichnet. In den 50er Jahren feilte er gemeinsam mit Karel Reisz und Tony Richardson an der neuen Bewegung des Free Cinema.
Er hat aber nur sehr wenige Kinofilme gedreht - als Theaterregisseur hat er wesentlich mehr Stücke produziert. 1963 gab er mit der düsteren Sozialstudie "Lockender Lorbeer" (Original: This sporting life) sein Filmdebüt, die beiden Hauptdarsteller Richard Harris und Rachel Roberts wurden für ihre hervorragenden Leistungen in diesem Film mit einer Oscar-Nominierung belohnt.
"Lockender Lorbeer" wurde zum Filmklassiker und folgerichtig in die Liste der besten 100 britischen Film des BFI gewählt - er rangiert dort auf Platz 52. Sein später entstandener Internats-Film "If..." liegt mit dem 12. Platz noch etwas besser.
Die Geschichte, die Lindsay Anderson erzählt, basiert auf dem gleichnamigen Roman von David Storey aus dem Jahr 1960. Es erzählt die Geschichte des Rugby-Spielers Frank Machin (Richard Harris) aus Wakefield, einer Bergbaustadt in Yorkshire, dessen romantisches Leben viel weniger erfolgreich verläuft als seine aufstrebende Sportlerkarriere. Der Roman trägt autobiographische Züge.
Der Star des Rugby-Teams hat in der ersten Szene ein Spiel, dort wird er grob gefoult und sein Kiefer ist gebrochen. Vom Teamchef und Mäzen Gerald Weaver (Alan Badel) und seinem Teamkamerad Maurice Braithwaite (Colin Blakely) wird er zum Kieferchirurg gebracht, dort erinnert sich der Sportler an seine jüngere Vergangenheit, die eigentlich gar nicht so hoffnungslos und trist verlief, wie sie jetzt erscheint. Denn seine ebenso geschickte wie brutale Spielweise gefällt dem Publikum, den Teamchef und auch dem Vereinspräsidenten wie Charles Slomer (Arthur Lowe). So macht Frank schnell Karriere und dies überrascht auch seine verbitterten Vermieterin Mrs. Hammond (Rachel Roberts), die ihren Mann durch einen Arbeitsunfall verloren hat und immer noch um ihn trauert. Die Arbeiterwitwe hat zwei Kinder, mit denen sich Frank sehr gut versteht. Er macht auch der zugeknöpften Witwe immer wieder Avancen, doch die zeigt ihm die kalte Schulter. Sie ist teilweise sogar abweisend bis feindselig. Frank lässt aber nicht locker und irgendwann kommt es doch zum gemeinsamen Sex. Aber in ihrer Trauer ist es ihr unmöglich Zuneigung zu erwidern. Sie hält nicht mit Beleidigungen zurück - Frank selbst hat aber auch Probleme mit seinem neuen wohlhabenderen Leben. Er kann sich in guten Restaurants nicht benehmen und gibt sogar Weavers Frau Anne (Vanda Godsell) einen Korb, als die ihn zu sich nach Hause zu einem Schäferstündchen eingeladen hatte. Seinen alten Freund Dad Johnson (William Hartnell) lässt er inzwischen auch eher links liegen. Bald gibt es auch Streit mit Mrs. Hammond und Frank verlässt das Haus. Der Emporkömmling spürt vermehrt Unsicherheiten, auch auf dem Sportplatz gibts keine Befriedigungen für das labile Gemüt. Dann erfährt er, dass Mrs. Hammond wegen einer Gehirnblutung im Krankenhaus liegt...




Am Ende wird er auf dem Platz ausgepfiffen - nein, "Lockender Lorbeer" ist kein Wohlfühlfilm. Zur Zeit seiner Enstehung war dieses Liebespaar im Film weit von dem entfernt, was das konservative Mittelklasse-Kino im Allgemeinen zu bieten hatte. Die Emotionalität dieser beiden Figuren wirkt zerstörerisch und der psychologische Bereich der Protagonisten bildet den Schwerpunkt von Andersons Arbeit. Es wird schnell klar, dass der Bergarbeiter Frank seinem Milieu wahrscheinlich gar nicht enfliehen kann, so sehr er es sich auch wünschen würde. So bleiben alle Hoffnungen unerfüllt. Das private Glück bleibt ihm versagt und am Ende scheint auch sein Ruhm auf dem Platz in Gefahr zu sein. Alles wirkt etwas irritierend und sperrig. Und Franks Stern, ist im Begriff zu sinken.



Bewertung: 8 von 10 Punkten.