Samstag, 11. Februar 2017

Mamma Roma

Regie: Pier Paolo Pasolini

Der Traum vom besseren Leben...

"Mamma Roma" aus dem Jahr 1962 ist für mich Pasolinis schönster und bester Film. Genau wie sein erster Film "Accatone", den er ein Jahr davor inszenierte, war er dem italienischen Neorealismus verpflichtet. Die Geschichten handeln von Menschen der sozialen Unterschicht. Sie erzählen von den Hoffnungen und Enttäuschungen dieser Menschen, ihrem Wunsch aus diesem Milieu auszubrechen - am Ende werden sie es nicht schaffen, sie sind in ihrem Ghetto gefangen, ohne Aussicht auf einen Aufstieg. Gleichzeitig liefert die große Anna Magnani eine großartige Vorstellung als Prostituierte "Mamma Ro", obwohl sie mit ihrem unbändigen Temperament die Rolle sehr verhalten und ruhig spielt. Die Machart des Films wird fast schon wie eine dokumentarische Bestandsaufnahme, wird aber nie unnötig sentimental...sondern bleibt nüchtern, karg und sorgt dennoch für eine sehr schöne kunstvolle Melancholie, die sich durch die Geschichte zieht.
Als Darsteller verpflichtete er viele Laiendarsteller - was dem Ganzen noch die optimale Authentizität verleiht. Es beginnt mit einer Hochzeit auf dem Land. Die Hochzeitsgäste sitzen ähnlich arrangiert da, wie beim letzten Abendmahl von Christus. Der Zuhälter Carmine (Franco Citti) heiratet eine junge Frau. Mamma Roma (Anna Magnani) ist 17 Jahre älter als Carmine, für den sie anschaffen ging. Sie wirkt ausgelassen und amüsiert. Es winkt die Freiheit und ein neues Leben. Grund genug freudig ein Spottlied auf Braut und Bräutigam anzustimmen, die beiden Besungenen stimmen mit ein und versuchen mit dem improvisierten Text zu kontern. Einige Jahre später holt Mamma Roma ihren 16jährigen Jungen zu sich, endlich hat sie die Möglichkeit, dass er bei ihr in Rom wohnen kann. Der junge Ettore (Ettore Garofolo) weiß nichts vom früheren Metier seiner Mutter. Die hat auch entschieden ein bürgerliches Leben zu beginnen. Sie zieht mit ihrem Sohn in ein bürgerliches Wohnviertel, wo sie ihr Geld als ehrbare Obstverkäuferin verdient. Am Sonntag geht man zum Gottesdienst. Gleichzeitig versucht sie den Jungen von allen Verführungen und Risiken eines Lebens in Armut und Kriminalität zu schützen. Dabei setzt sie nicht nur auf Beharrlichkeit, sondern auch auf erpresserische List, um die berufliche Karriere ihres Sohnes zu fördern, der noch nicht mal einen Schulabschluß hat.Der Pfarrer rät ihr, dass er dringend eine Ausbildung machen müsste - nur so hat man die Chance einen Beruf zu ergreifen, mit dem man Geld verdienen kann. Der etwas labile Junge lernt die flatterhafte Bruna (Silvana Corsini) kennen, die beiden jungen Menschen kommen sich näher. Das ist Mamma Roma ein Dorn im Auge, sie versucht den Umgang zu verhindern, indem sie eine Freundin (Prostituierte) beauftragt, sich um das fleischliche Wohl ihres Sohnemanns so zu kümmern, dass er Bruna vergisst. Doch Ettore stieht "Violino Zigano", die Lieblingsplatte seiner Mutter, verkauft diese Rarität und schenkt seinem Schwarm ein Goldkettchen. Ettore kommt auch mit Jungs aus dem Viertel zusammen, die kleinere Diebstähle begehen. Ort des Geschehens ist ein Krankenhaus, dort kann man leichte Beute machen und den Klau an einen Hehler verkaufen. Auch der frühere Zuhälter Carmine taucht immer wieder auf, so dass Mamma Roma immer wieder gezwungen wird anzuschaffen...




Wenn Mamma Roma als Prostituierte arbeitet, zeigt die Kamera nur wie sie nachts durch die Straßen läuft oder ihren Weg nach Hause. Dort trifft sie auf verschiedene Begleiter, sie wirkt dabei immer sehr fröhlich und gut gelaunt. Eine gut getarnte Maske...denn sie hat Angst. Vor allem, dass Ettore auch an dieses Leben im Elend gebunden bleiben muss. Am Ende wird er zum Dieb. Er stirbt im Gefängnis, hohes Fieber und eine Sonderbehandlung im Fixierbett hat er nicht überlebt. Der Sterbende ruft "Mama" und sieht dabei aus wie ein Gekreuzigter. Barockmusik läuft im Hintergrund. Diese Musik unterstreicht Einsamkeit, Verlorenheit. Ein sehr trauriger Film. Anna Magnani zeigt in ihrer Rolle wie blind ein Mutterinstinkt sein kann. Es wird aber deutlich, warum sie so und nicht anders handeln kann.Pasolini stellt seine Protagonisten in eine graue, triste Umgebung, und trotzdem sind es ihre Vitalität, ihr Lebenswillen, ihre Hoffnung, die sie aus dieser Tristesse wieder herausholen.
 



Bewertung: 10 von 10 Punkten. 

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