Sonntag, 19. Februar 2017

Das süße Leben - La Dolce Vita

























Regie: Federico Fellini

Rom im Sommer 1959...

Federico Fellinis "Das süße Leben" entstand 1959/1960 und kann vielleicht als gewisser Wendepunkt im Schaffen des Regisseurs angesehen werden, denn der Film unterscheidet sich doch von den Vorgängern "Die Schwindler", "La Strada" oder "Die Nächte der Cabiria". Thematisch am ehesten hat er noch Ähnlichkeiten mit "Die Müßiggänger", auch Ort- und Zeit sind in beiden Fällen haarscharf eingefangen - aber "La Dolce Vita" ist mit 174 Minuten Laufzeit deutlich länger und zeigt auch eine wesentlich kritischere Bestandsaufnahme und eine Zwiespältigkeit des Lebens auf. Auch der Schluß ist weniger hoffnungsvoll. Während in "Die Müßiggänger" am Schluß der Held die Kleinstadt verlässt und im Zug nach Rom fährt - also einem Neustart entgegen - ist der Journalist Marcello Rubini, gespielt von Marcello Mastroianni, bereits in Rom fest etabliert, versucht einen Neustart, doch schafft diesen radikalen Cut am Ende leider nicht. Er bleibt in seiner Welt, wo er sich vornehmlich in der High-Society und in intellektuellen Kreisen bewegt, gefangen. Aufgrund seiner eigenen Labilität und Lethargie. Marcello Rubini ist ein angesehener Journalist mit gutem Einkommen. Doch sein Job langweilt ihn - er arbeitet mit den Paparazzi Hand in Hand. Mit diesem Begriff erfand Fellini die heute international übliche Bezeichung für die Pressefotografen, die Prominenten Schritt um Schritt nachstellen, um ein sensationelles Foto zu schießen. Alle lauern schon auf die nächste Sensation - da fliegt ein Hubschrauber mit einer riesengroßen Christusstatue über Rom in Richtung Petersplatz. Mit dabei ist auch Marcello. Er ist auch in der ersten Reihe als Begleiter des schwedisch-amerikanischen Filmstars Sylvia (Anita Ekberg). Sofort als sie aus dem Flugzeug steigt, ist sie der Mittelpunkt von einer Vielzahl Kameras. Kein Wunder, die Frau ist irre attraktiv und schön mit ihrem blonden langen Haar und es ergibt sich sogar die Gelegenheit für den cleveren Journalisten ein paar Stunden alleine mit dieser Frau aller Frauen im nächtlichen Rom zu verbringen. Er soll mitten in Rom etwas Milch für ein Kätzchen besorgen, dass der Schauspielerin zugelaufen ist - so geschickt wie er ist, findet er sogar was - aber da findet er die Diva bei einem Bad im Trevi Brunnen. Für diesen Ausflug wird er dann von Silvias Mann (Lex Barker) zusammengeschlagen. Aber das Leben geht weiter auf der Via Veneto mit den exklusiven Nachtclubs und Cafes. Marcello hat eine Geliebte (Yvonne Furneaux), die von ihm abhängig ist und bereits schon mal eine Überdosis von Tabletten geschluckt hat - doch sie ist lange nicht die einzige Frau in Marcellos Leben. Er lässt nur wenig Gelgenheiten aus. Mit der reichen Maddalena (Anouk Aimee) schläft er in der Wohnung einer Prostituierten, die die beiden zufällig bei ihrer Spritztour durch Rom aufgegabelt haben. Doch die nächste Schlagzeile wartet schon. Auf dem Land, nicht weit von der metropole, wollen zwei Kinder die Jungfrau Maria gesehen haben. Das wird gleich zum Medienspektakel. Marcello hadert damit, dass er nicht genügend Ehrgeiz hatte Schriftsteller zu werden. Dies diskutiert er öfters mit seinem Freund Steiner (Alain Cuny), der ebenfalls unglücklich wirkt, obwohl er mit seinen beiden Kindern und einer schönen Frau doch auch glücklich sein müsste. Auch der kurze Besuch seines Vaters (Annibaldo Ninchi) trägt nicht zur Verbesserung bei. Er bemerkt, dass ihm auch sein eigener Vater fremd ist. Er versucht zu schreiben und trifft dabei auf die junge Paola (Valeria Ciangottini), die in einem Restaurant bedient. Er findet das Mädchen sehr schön, weil ihr Gesicht den Engelsgesichtern in den Kirchen gleichen. Er wird sie am Ende des Films noch einmal treffen - doch er kann sie aus der Ferne nicht hören, was sie ihm zuruft...



Damals war der Film vor allem aufgrund des unsterblichen Bildes mit Anita Ekberg im Trevi Brunnen ein riesiger Kassenschlager, aber auch ein Skandal. Aufgrund seines Inhalts wurde er sogar in Spanien bis 1981 verboten. Das Bild ging um die Welt und gehört zu den bekanntsten Szenen der Filmgeschichte. "La Dolce Vita" wurde 1960 in Cannes mit einer Goldenen Palme ausgezeichnet - es folgten auch vier Oscarnominierungen (Regie, Drehbuch, Ausstattung und Kostüme, für letzteres gabs die Trophäe), was für einen nicht amerikanischen Film nach wie vor sehr, sehr selten ist. Sehr treffend dürfte in seinem Rom-Epos der Zustandsbericht einer dekadenten Gesellschaftsschicht sein, die zu echten Beziehungen und Gefühlen kaum noch fähig ist. In dem Treiben hat Fellini existenzielle Fragen aufgeworfen. Auch wenn "La Dolce Vita" auch ein perfekter Zeitgeistfilm ist, er kann auch heute noch fasznieren. Viele der Sequenzen sind klasse und Mastroianni ist die perfekte Besetzung für Marcello, der glaubt, mit seiner coolen dunkel getönten Sonnenbrille, er wäre dieser kühle Beobachter des Treibens. Dabei ist er längst schon ein Teil dieser sinnlosen Exzesse geworden.




Bewertung: 8,5 von 10 Punkten.

Orfeu Negro

























Regie: Marcel Camus

Der Tod beim Karnveal...

Aus heutiger Sicht ist die 1959 entstandene brasilianisch-französisch-italienische Coproduktion "Orfeu Negro" vor allem ein extrem temperamentvoller, schillernden und farbischer Rausch für die Sinne. In seiner Entstehungszeit war er viel mehr - ein Wagnis für die Produzenten und auch für den Regisseur Marcel Camus, denn der Film sollte mit der portugisieschen Originalsprache und ausschließlich dunkelhäutigen Darstellern ein Kinohit werden. Damit ging man genau wie Otto Preminger mit "Carmen Jones" das Risiko ein, die bekannte Oper "Carmen" in das Milieu der Afroamerikaner zu verlegen: Während des 2. Weltkrieges arbeiten dunkelhäutige Frauen in einer Fallschirmfabrik, eine davon ist "Carmen Jones", gespielt von der leider viel zu früh verstorbenen Dorothy Dandrigde. Auch "Orfeu Negro" hat ein berühmtes Vorbild - den antiken Mythos von Orpheus und Eurydike, basierend auf dem Drama "Orfeu da Conceicao" von Vinicius de Moraes. Ein Drama, dass drei Jahre vorher entstand. Schon vor Marcel Camus haben europäische Autoren die antike Geschichte in die Gegenwart verlegt, so zum Beispiel Jean Cocteau, dem mit seinem symbolbeladenen Film "Orphee" ebenfalls ein Welterfolg gelang. Revolutionär war aber, dass Camus genau wie Preminger auf die Wirkung von dunkelhäutigen Darstellern setzte. Die Rechnung ging auf...der Film bekam den Oscar als bester fremdsprachiger Film und wurde ein großer Kinohit. Darüberhinaus war er ein Wegbereiter für das noch in der Zukunft liegende Black Cinema.
Die Hauptrollen wurde mit der US-Schauspielerin Marpessa Dawn und dem brasilianischen Fußballer Breno Mello besetzt. Alle anderen Darsteller waren Laien, die aber großartig agierten und tanzend im Bossa-Nova Rhythmus begeisterten.
Alles fängt am Vortag des Karnevals an. Mit einem Fährschiff kommt die junge Euridice (Marpessa Dawn), ein Mädchen vom Land, in die Großstadt Rio. Sie hat ihr Dorf verlassen, weil sie sich von einem geheimnisvollen Mann verfolgt glaubt. Sie hat das Gefühl, dass er sie töten will. Dies sagt sie auch einem blinden Fahrgast, der sie etwas tröstet. Auf den Straßen der Stadt ist jetzt schon Ausnahmezustand - alle Menschen tanzen sich auf das große Ereignis ein. Sie wirkt verloren und ist auf der Suche nach ihrer Serafina (Lea Garcia), die in Babilonia wohnt, einer Favela oben auf dem Morro. Auch dort herrscht schon extremes Treiben, selbst die Kleinen wie Benedito (Jorge Dos Santos) und Zeca (Aurino Casiano) sind aus dem Häuschen, sie tanzen und lassen einen Drachen steigen. Alles in dieser großartigen Aussicht auf die Stadt. Serafina erwartet ihren Lover Chico (Waldemar de Souza), ein Matrose und hat die Ankunft ihrer Cousine fast vergessen. Die hat inzwischen einen Bus genommen. Dort lernt sie den Straßenbahnführer Orfeu (Breno Mello) kennen, der auf der Linie 49 seinen Dienst verrichtet. Nachdem der attraktive Mann mit ihr ein bisschen geflirtet hat, bekommt sie an der Endstation von Hermes (Alexandro Constantino) , dem Verwalter der Straßenbahn weitere Hilfe bei der Suche. Orfeu ist mit der feurigen Mira (Lourdes de Oliveira) verlobt, sie drängt ihn gleich nach Arbeitsschluß zum Standesamt zu gehen, um das Aufgebot zu bestellen. Als Orfeu seinen Namen nennt, macht der Standesbeamte einen Witz und meint zu Mira "dann heißen sie sicherlich Eurydice", was die extrem eifersüchtige Schönheit gleich erzürnt. Dann kaufen die Verlobten den Verlobungsring und Orfeu löst seine geliebte Gitarre beim Pfandleiher aus, denn er ist schließlich der Sänger und Gitarrenspieler, der "die Sonne aufgehen lässt". Dann beginnt auch schon der Karneval, Orfeu trifft Eurydice zum zweiten Mal und beide verlieben sich unsterblich ineinander. Doch dann taucht ein als Tod kostümierter Mann (Adhemar da Silva) auf...



Und so nimmt das Schicksal tragisch seinen Lauf. "Orfeu Negro" ist nicht nur seine grandios eingesetzte Brazil-Musik (Samba und Bossa Nova) einzigartig, auch die Kameraarbeit von Jean Bougoin ist Weltklasse. Der Cinematograph war auf der Höhe seiner Karriere..ein Jahr vor "Orfeu Negro" war er bereits für Jacques Tatis "Mon Oncle" tätig und entwickelte gemeinsam mit dem Regisseur eine eigene Farbdramaturgie. Das moderne Stadtviertel in "Mon Oncle" wurde in schrillen Farben präsentiert, das Viertel des Helden Monsieur Hulot dagegen in warmen und erdigen Farbkompositionen. Resultat: Der Oscar für den besten Auslandsfilm und ein Jahr danach klappte es bekanntlich wieder. Auch "Orfeu Negro" wurde prämiert und wieder war Bourgoin der Chef der Kamera.




Bewertung: 8 von 10 Punkten.

Der Strom

Regie: Jean Renoir

Erste Liebe...

In den 30er Jahren stieg Jean Renoir zu einem der führenden Vertreter der französischen Filmkunst auf, er drehte Klassiker wie "Toni", "Das Verbrechen des Herrn Lange", "Die große Illusion", "Bestie Mensch" oder "Die Spielregel" bevor er bei Kriegsausbruch in die USA emigierte. Dort hatte er weit weniger Erfolg und kehrte erst spät nach Frankreich zurück. Vorher machte er noch einige Umwege, denn 1951 hielt er sich in Indien und wenig später in Italien auf.  In Indien drehte er mit amerikanischem Geld den Film "The River". Möglicherweise suchte er zu dieser Zeit eine abhandenkommende Harmonie, denn es gibt keinen Film, den er so romantisch inszenierte wie diese stille Coming of Age Geschichte. Renoir nannte den Film "mein Tribut an Indien, wo ich neu geboren wurde. Es war sein erster Farbfilm und diesen gestaltete er extrem üppig, so fasznieren heute noch die grandiosen Farbbilder (Kamera: Claude Renoir, der Neffe) und diese wunderbar exotische Landschaft im Frühling mit dem Strom, den vielen Tempeln und dem Leben am Ufer des Ganges.
Ein Off-Stimme kommentiert die Geschichte, was zuerst etwas störend wirkt, aber man erfährt, dass die 14jährige Harriet (Patricia Walters) eine Schriftstellerin geworden ist und sich an ihre Jugendzeit in Indien erinnert. Schon damals hat sie ein Tagebuch geführt und Gedichte geschrieben. Sie sit die Tochter des Vorarbeiters einer Jutefabrik. Ihre Eltern (Nora Swinburne/Esmond Knight) haben insgesamt 6 Kinder - alles Mädchen, nur ein Junge (Richard R. Foster). Harriet hat zwei Freundinnen. Die etwas ältere Valerie (Adrienne Corrie), Tochter des Fabrikbesitzers und Melanie (Radha Shri Ram), Tochter eines reichen Engländers und einer indischen Mutter, die bereits verstorben ist. Als der junge Leutnant John (Arthur Shields) auftaucht, wird die Gefühlswelt der drei jungen Mädchen schwer durcheinandergewirbelt. Alle drei verlieben sich in den jungen Amerikaner, der im 2. Weltkrieg sein Bein verloren hat und nun mit einer Prothese leben muss. Dies fällt ihm sichtlich schwer, er wirkt depressiv und auch distanziert. Doch die Mädchen versuchen alles um ihm näher zu kommen...jede auf ihre eigene Weise und so erlebt auch jede diese Liebe wieder anders. Am Ende reist er wieder ab. Ein tragischer Schicksalsschlag muss die Familie überwinden, aber der Strom des Lebens fließt unaufhörlich weiter...



Dazu liefert Renoir dann auch ein passenden Schlußbild für sein ruhiges Kammerspiel ohne Action, das den Zuschauer in eine fremde und exotische Welt führt. Man merkt, dass Renoir voller Liebe von diesem Land ist. Es ist aber auch etwas naiv, so wird auch das schwere Schuften der Arbeiter in der Jutefabrik romantisiert. Immer wieder lässt uns Renoir aber faszniert eintauchen in dieses fremde Leben und in fremde Bräuche wie das hinduistische Opferfest oder bei einer Hochzeitszeremonie -immer unterlegt mit Sitarmusik. Die schönste Szene ist für mich der magische Tanz der Inderin Radha, die so zum Gesicht von Renoirs Film wurde.




Wertung: 8 von 10 Punkten.

Mittwoch, 15. Februar 2017

Mon Oncle

























Regie: Jacques Tati

Schöne neue Welt....

Jacques Tati ist ein filmhistorisch ein sehr bedeutender Regisseur, obwohl er nur sehr wenige Filme realisierte. Sein sehr individueller und aussergewöhnlicher Stil ist für heutige Sehgewohnheiten etwas gewöhnungsbedürftig, aber dennoch lohnt es sich den französischen Filmemacher, der 1977 mit dem Cesar für sein Lebenwwerk ausgezeichnet wurde, für sich zu entdecken. Er entwickelte die von ihm dargestellte Figur des "Monsieur Hulot", der mit Pantomine, Slapstick und einem visuellen Humor begeistert - Vergleiche mit Charlie Chaplins "Tramp" kommen sofort in den Sinn. In seinen Filmen wird nicht so oft geredet, sehr oft wird der Dialog durch Geräusche ersetzt, die manchmal sehr markant ihre Zeichen setzen. Mit leisem Humor schimmert der Zivilisationskritiker durch. Tatis Durchbruch kam mit "Tatis Schützenfest" im Jahr 1947. Bereits in seinem zweiten Film "Die Ferien des Monsieur Hulot" taucht dann auch schon der liebenswürdige Individualist und wenig angepasste Mann mit Hut und langer Pfeife auf. Er muss sich in seinem Filmen mit den Tücken der modernen Zivilisation zurechtkommen, was nicht immer einfach ist.
1959 wurde er sein Film "Mon Oncle" mit dem Oscar als bester fremdsprachiger Film ausgesetzt. Ein Höhepunkt in seiner bisherigen Karriere. Viele Fans halten "Mon Oncle" für Tatis besten Film, obwohl sein ambitioniertestes Werk "Playtime" erst noch folgen sollte.
Monsieur Hulot (Jacques Tati) ist der Onkel des neunjährigen Gerard Arpel (Alain Becourt). Der Junge liebt seinen Onkel, denn der holt ihn oft mit seinem Fahrrad von der Schule ab und bei den Streichen, die Gerard mit seinen Freunden manchem Erwachsenen spielen, schaut der Onkel eher vergnügt zu, als das er die Kinder in ihrem Tun ermahnen würde. Hulot wohnt in einer wunderschön nostalgischen Gegend, ganz oben in einem Mehrfamilienhaus hat er seine wohnung. In seinem Viertel ist die Welt noch in Ordnung. Der Straßenkehrer verrichtet ohne Streß seine Arbeit, der Obst- und Gemüsemarkt ist vor Ort. Die Leute haben es nicht eilig. Wenn es mal Streit gibt, dann geht man zusammen ins Wirtshaus und kommt zufrieden zusammen wieder raus. Man hört schöne typisch französische Straßenmusik dazu...das Leben ist hier noch in Ordnung, wenn die grandiose Kamera von Jean Bourgoin dem Zuschauer diese Idylle zeigt.
Anders bei Gerards Eltern. Denn Hulots Schwester (Adrienne Servantie) ist die Frau von Charles Arpel (Jean-Pierre Zola), dem reichen und mächtigen Generaldirektor einer Kunststofffabrik. Charles ist mit seinem Schwager,  dem Müsiggänger Hulot wenig zufrieden. Der muss endlich arbeiten und er besorgt ihm eine Stelle in seiner Fabrik. Was im Laufe der Geschichte zu extrem kuriosen Begebenheiten und "Katastrophen" führt. Die Arpels wohnen in einem Neubaugebiet - ihr Haus, die Möbel, die Gartenanlage - alles ist der letzte Schrei. Total modern, fast alles automatisch und das Mobiliar klinisch rein und unterkühlt. Das Neueste vom Neuen...fast wie in einem Zukunftsfilm, doch die Einrichtung hat so ihre Tücken. Madame Arpel gibt auch gerne mit diesem Haus bei den Nachbarn an. Allen scheint es zu gefallen...nur Gerard und sein Onkel fühlen sich in diesem kalten Ambiente nicht so wohl, die Gemütlichkeit bleibt auf der Strecke. Arpel klopft sich für seinen guten Geschmack auch gerne auf die Schulter, auch wenn er als Herr des Hauses durch seinen Dackel unbeabsichtigt in der Garage eingesperrt wird. Dies passierte nur, weil der kleine Vierbeiner mit seinem wedelnden Schwanz die Lichtschranke für das Garagentor betätigt hat. Ein krasser Gegensatz: Hier das sterile Zuhause und dort das witzige Streichespielen mit den Freunden. Der Junge kommt mit dreckigen Kleidern nach Hause. Madame Arpel will dem auch entgegenwirken und ihren Bruder endlich mal verkuppeln. Mit diesemansinnen wird die schrille Nachbarin eingeladen und zwei befreundete Ehepaare. Das kann nicht gutgehen, denn Hulot steht wie immer mit der Technik auf Kriegsfuß...





Je länger der Film seine Geschichte zeigt, desto besser wird er. Er steigert sich sozusagen. Die Gartenparty wird immer schräger, das Szenario versinkt immer mehr im Wahnsinn der neuen Zeit. Auch Hulot am zugewiesenen Arbeitsplatz sorgt für echte Lacher. Statt Gummischläuche gibts Gummiwurst in Dauerschleife. Die Villa Arpel ist ein echter Hingucker und jedes Möbelstück übertrifft das andere noch in Sachen schlechter Geschmack. Beide Welten sind genial gemacht - ein ganz dickes Lob an die Ausstatter und Szenebildner, da sind echte Wow-Effekte garantiert. Für mich ein schöner Film über den Romantiker, der mit leisem Humor gegen die neue schöne und technisierte Welt argumentiert.





Bewertung: 10 von 10 Punkten.

Bellissima

























Regie: Luchino Visconti

Mein Kind muss zum Film...

Luchino Viscontis leichtester Film "Belissima" aus dem Jahr 1951 ist vor allem geprägt durch die großartige Hauptdarstellerin Anna Magnani. Eine Schauspielerin, die nicht durch eine besondere Atrraktivität zum Publikumsliebling wurde, denn sie spielte immer sehr kraftvolle und erdige Frauenrollen - temperamentvoll und aus dem einfachen Volk oder aus der Unterschicht. Sie spielte die Mutter, die wie eine Löwin für ihr Kind kämpft, manchmal die unglücklich Verliebte oder auch die stolze, kämpferische Prostituierte.  In Italien wurde die Volksschauspielerin verehrt. Bei ihrer Beerdigung in Rom im Jahr 1973 sollen 100.000 Menschen ihrem Sarg gefolgt sein. Sie war die bedeutendste Charakterdarstellerin Italiens, eine Persönlichkeit mit einem stolzen Selbstbewusstsein und einem unbändigen Temperament. Ihre Fans nannten sie "Mamma Roma" oder "Nannarella". Im Laufe ihrer Karriere gelang ihr auch der Sprung nach Hollywood und für ihre Rolle als Serafina Delle Rose in der Tennessee Williams Verfilmung "Die tätowierte Rose" erhielt sie sogar den Oscar als beste Hauptdarstellerin des Jahres 1956.
Ihre besten Rollen gelangen ihr aber auf nationaler Ebene, z.B. in "Rom offene Stadt" von Roberto Rossellini, in "Mamma Roma" von Pier Paolo Pasolini und natürlich in "Bellissima", dem dritten Film von Luchino Visconti. Dieser hatte mit seinen beiden ersten Filmen "Ossessiione" und "Die Erde bebt" ein geschäftliches Fiasko erlitten. Dennoch war Produzent Salvo D´Angelo überzeugt von seinem Regisseur, denn die internationale Kritik war begeistert. "Bellissima" war so etwas wie ein Versuch einen echten Publikumsfilm zu drehen. Die Geschichte selbst enstammte einer Idee von Cesare Zavattini. Visconti reduzierte mit seinen beiden Drehbuchautoren Suso D´Amico und Francesco Rosi den sentimentalen Anteil der Story, daher gelang ihm auch mit diesem leichten Film ein beachtliches künsterisches Ergebnis mit erhöhtem Anspruch. Ähnlichkeiten zu de Sicas Meisterwerk "Fahrraddiebe" sind sichtbar, aber statt Vater und Sohn sind in "Bellissima" Mutter und Tochter die Hauptfiguren.
Anna Magnani spielt die resolute Krankenschwester Maddalena Cecconi. Sie ist von ihrem einfachen Leben frustriert und projiziert ihre Sehnsüchte und Träume auf ihre kleine Tochter Maria (Tina Apicella). Aus ihr soll ein großer Filmstar werden. Und tatsächlich bietet sich bald eine große Chance, denn eine große Filmgesellschaft sucht öffentlich ein kleines Mädchen für die Hauptrolle im neuen Film des Regisseurs Alessandro Blasetti (spielt sich selbst). Das Casting findet im Filmstudio-Komplex "Cinecitta" statt - aber die Konkurrenz ist zahlreich. Ganz viele weitere ehrgeizige Mütter sind mit ihren mehr oder weniger talentierten kleinen Töchter vor Ort. Durch den jungen Annovazzi (Walter Chiari), der beim Film arbeitet und der sich seiner Beziehungen zu den Produzenten und dem Regisseur rühmt, gelingt es ihr tatsächlich, dass die kleine Maria eine Probeaufnahme machen darf. Selbstverständlich ist dieser Gefallen, den Annovazzi realisieren konnte, nicht kostenlos. Sie muss ihr Sparbuch plündern. Maddalenas Ehemann ist der Arbeiter Spartaco (Gastone Renzelli) sieht die Ambitionen seiner ehrgeizigen Ehefrau nicht gerne. Aber die durchsetzungsstarke Frau bleibt hart - bis zu dem zeitpunkt, als sie sich Zutritt zu einer Muster-Vorführung verschafft und im Projektionsraum mit anhören muss, wie ihre unbegabte und linkische Tochter ausgelacht wird....



Am Ende soll die Kleine doch noch einen Vertrag bekommen. Man will ihre unfreiwillige Komik möglichst gewinnbringend ausschlachten. Eine große Szene, als Anna Magnani mit ihrer schlafenden und völlig erschöpften kleinen Tochter nach Hause kommt. Das Kind wurde ausgelacht. Doch nun sind bereits drei Männer mit sehr lukrativen Verträgen in ihrer einfachen Wohnung. Der Mann freut sich sogar, weil er mit solch einem Geldsegen nicht rechnen konnte. Doch Maddalena lehnt entrüstet ab und macht klar, dass es für die Eltern nichts wichtigeres und schöneres gibt als die kleine Maria. Visconti schafft es die Handlungsweise von Maddalena mit ihrem tristen und hoffnungslosen Leben zu erklären, so ist auch viel Neorealismus in diesem Unterhaltungsfilm Die Magnani liefert die perfekte Emotion für diesen Film, sie gibt ihrer Figur eine gewisse Verrücktheit, viel überzogenen Ehrgeiz - aber auch die absolute menschliche Wärme und die Größe ihr Handeln zu reflektieren und wichtige Schlüsse daraus zu ziehen.



Bewertung: 9 von 10 Punkten.