Dienstag, 7. April 2015

Das Mädchen Rosemarie

























Regie: Rolf Thiele

Aufstieg und Fall im Wirtschaftswunderland...

"Das Mädchen Rosemarie" von Rolf Thiele entstand 1958 und ist sicherlich einer der besten Wirtschaftswunder-Filme. Erzählt wird im Kolportage Stil die Geschichte der Rosemarie Nitribitt, eine Frankfurter Prostituierte, die am 29. Oktober 1957 in Frankfurt am Main ermordet wurde. Sie erlangte durch den Mordfall landesweite Berühmtheit. Das Verbrechen wurde nie aufgeklärt. Gemäß den Recherchen der Frankfurter Kriminalpolizei erwirtschaftete sich die Frau in ihrem letzten Lebensjahr ein Einkommen von ca. 90.000 DM. Bereits 1956 furh sie ihren berühmten schwarzen Mercedes Benz 190 SL mit roten Ledersitzen, mit dem sie in Frankfurt für Furore sorgte und der ihr Markenzeichen wurde. Drei Tage nach ihrem gewaltsamen Tod fand man sie in ihrer Wohnung - sie hat eine Platzwunde am Kopf und Würgemale am Hals. Bei den nachfolgenden Ermittlungen stellte sich heraus, dass sie auch Kontakt zu sehr bedeutenden Persönlichkeiten hatte. Da der Fall aufgeklärt wurde, machte die Theorie die Runde, dass bestimmte Kreise aus Wirtschaft und Politik erfolgreich die Aufklärung verhindern konnten. Kaum erklärbare Ermittlungspannen der Frankfurter Kripo nährten diesen Vermutung zusätzlich. Wer allerdings einen spannenden Kriminalfilm erwartet, der dürfte etwas enttäuscht sein. "Das Mädchen Rosemarie" ist eher ein bissiger Kommentar zur Wirtschaftswunderzeit, der den Aufstieg dieser Jahre in Verbindung bringt mit einem moralischen Niedergang. Er demaskiert das biedere Bürgertum, die eigentlich eine Frau wie Rosemarie gesellschaftlich ausgrenzen. Nur im Verborgenen suchen diese Männer ihre Gesellschaft. Bereiits die erste Szene zeigt das heuchlerische Umfeld. Rosemarie Nitribitt (Nadja Tiller) wird vom Chefportier (Hubert von Meyerinck) des Palast Hotels aufgefordert die Eingangshalle des Hotels wieder zu verlassen. Nicht mal draussen darf sie auf ihre potentiellen Freier warten, man hat ja schliesslich einen Ruf. Aber als der Großindustrielle Generaldirektor Bruster (Gert Fröbe) dort mit seinen Kartell von Unternehmern auftaucht und den Portier um Adresse von Damen bittet, kann dieser sofort hilfreich sein. Für Rosemarie, die bisher mit zwei Kleinkriminellen und Möchtegern-Zuhältern Horst (Mario Adorf) und Walter (Jo Herbst) eine Wohnung teilt, wird diese Nacht zum Sprungbrett in Richtung High Society. Sie lernt den Geschäftsmann Konrad Hartog (Carl Raddatz) kennen. Dieser wird ihr reicher Lover und Gönner, er hält sie aus und richtet ihr eine Wohnung ein. Auf dem Weg zu einem Reitturnier der Familie von Hartog lernt Rosemarie auch den Franzosen Alfons Fribert (Peter van Eyck) kennen, der Industriespionage betreibt. Er macht Rosemarie mit weiteren großen Wirtschaftsbossen bekannt. So erhöht sich Rosemaries Vermögen. Und Fribert benutzt die etwas naive Rosemarie, um an die Geheimnisse ihrer Freier zu gelangen. Mit Hilfe eines Tonbandgerätes werden diese bei ihren Besuchen in Rosemaries Appartment heimlich ausspioniert. Bald merkt die Frau, dass sie auf brisantem Material sitzt. Sie gibt sie einem gläübigen Studenten (Horst Frank), der alles verstecken soll. Doch leider ist es schon zu spät...


die letzte Szene zeigt eine Rosemarie, die ihre Wohnung betritt. Hinter dem Vorhang lauert bereits der Mörder. Unten warten die Herren des Kartells mit ihren Autos. Regisseur Rolf Thiele inszenierte mit Sinn für innovative Ideen. So lässt er Rosemarie mit ihrem Zuhältergespann auch als singende Bänkelsänger auftreten, die ihre Eigenkompositionen mit dem Thema Wirtschaftswunder durch die Straßen von Frankfurt flanieren. Dabei stehen Lieder wie "Wir ham den Kanal noch immer nicht vol" für einen bissigen und satirischen Kommentar zur aufsteigenden Wirtschaftskraft, in der zeit nach dem Krieg.  Diese Szenen haben etwas slapstickhaftges, was dem Film auch einen sehr eigenen originellen Charme verleiht. Alles wirkt recht unkonventionell und erinnert sogar phasenweise etwas an die Lockerheit unseres Nachbarlandes, wo die Nouvelle Vague auf dem Vormarsch war. Gute, bissige Dialoge und eine sehr gut besetzte Nadja Tiller, die den Film trägt. Besonders spannend und bedrohlich ist das nie - das vergisst Rolf Thiele vielleicht. Aber als launiges Sitten- und Gesellschaftsbild hat der Film tolle Momente zu bieten. Am Ende offenbart sich die Tragik noch einmal von Neuem, da mit lakonischer Ironie die Anfangsszene im Hotel noch einmal wiederholt wird. Diesmal mit der jungen Karin Baal.  Zum Lohn gab es 1959 einen Golden Globe für den besten fremdsprachigen Film. Aber auch der Skandal lag nahe. Die Persiflage kam nicht überall gut an.  Man befürchtete, der gallige Streifen könne dem deutschen Ansehen im Ausland schaden und insbesondere jenen Kreisen neue Argumente liefern, welche die wirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik mit Missgunst beäugten. Die Regierung versuchte Druck auszuüben. Das führte dann zwar nicht zum Verbot, wohl aber zu ienigen Änderungen: Diese betrafen den Vortext und eine Szene mit marschierenden Soldaten. So wurde von der FSK ein Vorspann verlangt, der zum Ausdruck bringe, dass es sich bei den geschilderten Missständen und den kritisierten Leistungsträgern um Ausnahmen handle. Einer Zensur vorbeugend war vom Produzenten selbst bereits ein Bild von Ludwig Erhard, das in mehreren Szenen rechts neben dem Bett der Nitribitt hing, durch einen Unschärfeflleck unkenntlich gemacht.


Bewertung: 8 von 10 Punkten.

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