Donnerstag, 9. Juli 2020

Kirmes

























Regie: Wolfgang Staudte

Begrabene Vergangenheit...

 Im Jahr 1958 gründeten die Regisseure Wolfgang Staudte, Harald Braun und Helmut Käutner die "Freie Filmproduktion GmbH". Kurz vorher entstand auch sein Comeback mit "Rosen für den Staatsanwalt", einer der wenigen westdeutschen Filme der 50er Jahre, die sich mit der nationalsozialistischen Vergangenheit auseinandersetzten und mit diesem Thema auch noch erfolgreich war. Staudte erhielt dafür den Bundesfilmpreis. Neben dem Käutner Film "Der Rest ist Schweigen" wurde auch Staudtes Nachfolgefilm "Kirmes" von den Regisseuren selbst produziert. Dabei blieb Staudte zwar seinem Thema treu, wenngleich aus einem ganz anderen Blickwinkel.
"Rosen für den Staatsanwalt" ist satirisch und setzt sich in bissiger Form mit der Judikative im Wirtschaftswunderland auseinander. Dem Protagonisten, einem Oberstaatsanwalt, gelingt es seine Rolle als Militärjurist in der Nazizeit zu verbergen und kann in der neuen Bundesrepublik nahtlos wieder im Justizsystem dienen.
In "Kirmes" geht es mehr um die kleinen Leute in einem typischen deutschen Dorf. Haben sie aus ihren Fehlern unter dem nationalsozialistischen Regime Lehren ziehen können ?
Wie in Bernhard Wickies Welterfolg "Die Brücke" spielt "Kirmes" in den letzten Tagen des 2. Weltkrieges. Die Amis sind schon einmarschiert und sie stoßen immer weiter vor. Dennoch glaubt in diesem kleinen Eifeldorf der Ortsgruppenleiter (Wolfgang Reichmann) immer noch an den Endsieg. Zumindest scheint es so, vielleicht macht sich der Mann aber auch nur noch etwas vor.
Aber vor dieser Rückblende in das Frühjahr 1945 steht die Anfangssequenz der Geschichte, die das Dorf im Jahr 1960 zeigt. 15 Jahre sind inzwischen vergangen. Im Dorf werden die Filmplakate des Kinos, die für Hathaways "Garten des Bösen" und für Bernard Borderies Spionagefilm "Der Gorilla schlägt zu" überklebt mit der Ankündigung der am nächsten Tag stattfindenden Kirmes. Auch das Wahlplakat von Konrad Adenauer wird überklebt. Die Karussells werden aufgebaut und dann finden die Arbeiter beim Aufbau eines der Karussells auf das Skelett eines Toten. Neben der Leiche findet man einen Wehrmachtshel, eine Maschinenpistole und ein kleines Feuerzeug.
Nur im Haus von Martha (Manja Behrens) und Paul Mertens (Hans Mahnke) herrscht Aufregung, denn Martha ist sofort klar, dass es sich bei dem Toten nur um ihren Sohn Robert (Götz George) handeln kann. Der Bürgermeister Georg Hölchert (Wolfgang Reichmann), der Pfarrer (Fritz Schmiedel) und der Gastwirt Balthausen (Benno Hoffmann) argumentieren dagegen.  – widersprechen ihr zuerst, aber als sie darauf beharrt und ihn anständig begraben lassen will, schwenken sie um und ändern ihre Argumentation. Was würde passieren, wenn bekannt würde, dass Roberts Leiche mitten im Dorf lag. Einfach verscharrt - das würde bedeuten, dass er Deserteur und Vaterlandsverräter gewesen wäre. Aber Roberts Name steht auf dem Denkmal für die Gefallenen Helden des Krieges. Und Staudte führt den Zuschauer durch die Rückblende zurück an die Ereignisse, die damals im Ort geschehen sind. Robert Mertens (Götz George) ist geflohen, weil er nicht länger töten wollte. Doch seine Flucht bedeutet nun auch das sichere Todesurteil, falls er entdeckt werden würde. Er versteckt sich zuerst im Keller des elterlichen Hauses...



Am Ende hilft ihm die französische Fremdarbeiterin (Juliette Mayniel), die im Dorf nicht den besten Ruf genießt, weil sie sich gerne mit Männern einlässt.
Wolfgang Staudtes Film kam damals nicht besonders gut weg bei der Filmkritik. Man tadelte den Regisseur dafür, dass er den Ortsgruppenleiter und späteren Bürgermeister als einfach strukturierten stiernackigen Nazi präsentiert hat und auch die Rolle von Juliette Mayniel entspricht dem Klischee der besonders leichtlebigen Französin. Rein oberflächlich kann man diese Kritikpunkte nachvollziehen, aber wenn man etwas tiefer analysiert, findet sich beim Nazi kein Bilderbuchteufel, sondern eher ein Schwächling, der es nötig hat, wenn er Macht ausüben darf und die Französin hat sicherlich in den ganzen Jahren vorher eine Strategie des Überlebens entwickelt, dazu gehört dann auch das Ausspielen der weiblichen Waffen.
Und ausserdem überwiegen für mich doch die Vorzüge dieses galligen Films doch deutlich, denn Staudte hat ein exaktes Auge für den generellen Opportunismus jedes Einzelnen, der mit seinem Tun nicht nur ein umenschliches Regime am Leben erhielt, sondern darüberhinaus selbst nach 15 Jahren unfähig ist Lehren aus dem Schrecken und dem Leid zu ziehen. Denn mit der Argumentation des Desertieren werden auch die Eltern des jungen Soldaten wieder auf Kurs gehalten. 15 Jahre nach dem Krieg war der Ausstieg aus demselben immer noch als Landesverrat und Feigheit deklariert.



Bewertung: 7,5 von 10 Punkten.

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