Montag, 19. Dezember 2022

Mouchette


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Regie: Robert Bresson

Leidvolles Dasein...

Robert Bressons Filme beschäftigen sich mit dem Leid der Menschen, er schließt dabei auch die Tiere nicht aus wie beispielsweise in seinem Meisterwerk "Zum Beispiel Balthazar", auch in dem 1967 gedrehten Film "Mouchette" sieht man einige Jäger, die wie wild auf Hasen schießen und am Anfang wird man Beobachter wie ein kleines Rebhuhn versucht aus einer Falle zu gelangen. Neben der Existenz ist auch der Tod selbst ein Thema. Wir werden Zeuge wie eine betagte Frau sich beklagt, dass man früher ganz anders mit dem Tod und den Toten umgegangen sei "Ich liebe die Toten, ich habe sogar als Kind mit Ihnen gesprochen. Damals zu meiner Jugendzeit hat man die Toten wie Götter verehrt". Damit kann Mouchette, die Hauptfigur des Films und gespielt von Nadine Nortier, gar nicht umgehen. Das Mädchen ist 14 Jahre alt und gerade erwacht in ihr die sexuelle Neugier, eigentlich will sie leben - aber durch die Lieblosigkeit der Umgebung und durch eine Anhäufung von Niedertracht, Gemeinheit und Kälte, die von allen Menschen ihrer Umgebung ausgeht, wird das Mädchen die Möglichkeit in Betracht ziehen sich diesem Dasein zu verweigern.
Bressons Film sind Geschichten einer Passion. Als Gegensatz erscheint dazu eine oberflächlich betrachtet heile Welt, die alles inzwischen tabuisiert, was einmal als heilig galt. Das Leiden wird heute konsumiert durch die täglichen Nachrichten aus aller Welt. Der Regisseur taucht dieses unerträgliche Schicksal in karge und kühle Bilder, die dafür sorgen, dass der Leidensweg irgendwie erträglich bleibt, ohne ihn jedoch in seiner Schwere abzumildern.
Die 14jährige Mouchette (Nadine Nortier) wächst in einer Atmosphäre der Gewalt und Armut auf, sie fühlt sich einsam und verlassen. Zu Hause muß sie die kranke Mutter (Marie Cardinal) pflegen, alle Arbeiten verrichten und wird vom betrunkenen Vater (Paul Hebert) verprügelt. Sie lebt in einem abgelegenen Dorf und muss durch die schwere Krankheit der Mutter das kleine Baby versorgen, ausserdem führt sie den Haushalt. Sie unterscheidet sich von ihren Mitschülerinnen durch eine schmuddeligen Kleidung und wird auch dementsprechend behandelt als Aussenseiterin. Die Mädchen wollen mit ihr nichts zu tun haben und auch die Lehrerin wendet Züchtigung an, wenn sich Mouchette weigert ein schönes Lied mitzusingen.
Der Nachhauseweg führt sie durch den Wald in der Nähe des Ortes. Manchmal kommt etwas Sonne in den ansonsten tristen Alltag: Beim Jahrmarkt kauft ihr eine freundliche Frau eine Eintrittskarte und so wird ein etwas älterer Junge beim Autoscooter fahren auf Mouchette aufmerksam. Doch bevor sie miteinander reden können, hat der Vater schon ein Auge darauf geworfen und unterbindet die Begegnung.
Im Dorf selbst wissen alle von dem Konflikt, den der Jäger Mathieu (Jean Vimenet) mit dem Wilderer Arsene (Jean-Claude Guilbert) hat. Obwohl der Jäger verheiratet ist, agiert er eifersüchtig wegen dessen Bemühungen um die Bedienung Louisa (Marine Trichet). Eines Tages nach der Schule bleibt Mouchette länger im Wald, es fängt auch stark an zu regnen und sie bekommt den Streit zwischen den beiden Männern mit. Später begegnet ihr Arsene, der manchmal Gedächtnislücken hat und an Epilespie leidet. Dieser glaubt, dass er Mathieu umgebracht hat. Er versucht Mouchette als Alibi zu benutzen. Das Mädchen willigt ein. Als sie gehen will, versperrt Arsene ihr den Weg und vergewaltigt sie. Sie kommt mitten in der Nacht heim. Der Vater ist noch unterwegs und die Mutter befindet sich schon im Sterben....



Was muss noch zusammen kommen. Die Grenze des Erträglichen ist erreicht. Die einzige Person, mit der das Mädchen über die letzte Nacht sprechen konnte, stirbt. Mouchette bleibt allein zurück und erntet am Morgen nach dem Tod der Mutter misstrauische und kalte Blicke der Dorfbevölkerung. Möglicherweise hat sich die Begegnung mit Arsene schon herumgesprochen, vielleicht liegt es auch am ungekämmten Haar und an den etwas zerrissenen Kleidern, aber schon erntet das Mädchen allerlei Beschimpfungen.
Bressons Metier sind die verhalten-grausamen Filme, keiner dreht bessere als der französische Regisseur, von dem es leider nur sehr wenige deutschsprachige DVD Veröffentlichungen gibt. Der strenge und spröde Stil seiner Filme ist einzigartig und auch die Kameraeinstellungen (Kameramann war Ghislain Cloquet, der für "Tess" einen Oscar bekam) fügen sich dieser Darstellungsweise. Weder Sentimentalität noch Sadismus findet sich in der Darstellung des Leids.
Bresson arbeitete gerne mit unverbrauchten Gesichtern zusammen. Die Laiendarstellerin Nadine Nortier spielt jedoch hervorragend. "Mouchette" taucht wie auch Bressons "Zum Beispiel Bathazar" und "Pickpocket" regelmässig in den Listen der besten Filme aller Zeiten auf.




Bewertung: 9,5 von 10 Punkten. 

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