Montag, 29. Juni 2015

Die endlose Nacht


















Regie: Will Tremper

Die längste Nacht...

Nebel über Tempelhof:  "Wegen schlechter Wetterlage müssen heute alle Flüge nach Westdeutschland ausfallen. Ebenso ist vor Morgen früh nich tmit Landungen in Berlin-Tempelhof zu rechnen. Die nächste Durchsage erfolgt morgen früh" Auf jedem anderen Flughafen der Welt würde eine solche Durchsage zwar Ärger verursachen, aber es gäbe immerhin Ausweichmöglichkeiten. Man könnte alternativ mit der Bahn fahren, man könnte den nächstgelegenen Flughafen benutzen. In Berlin des Jahres 1962 gab es diese Möglichkeiten nicht. Berlin, eine Metropole mit 2,2 Millionen Einwohnern, hat nicht mehr als 10 Bahnverbindungen am Tag und zwischen Berlin und Westdeutschland liegt das Gebiet der DDR, das nicht jeder gefahrlos durchqueren kann. Nebel über Tempelhof, das bringt für eine Reihe von Fluggästen schwere Probleme mit sich.
Da wäre der alternde Schauspieler Emil Stoltmann (Fritz Remond), der in Hannover ein Engagement als "King Lear" hat, aber nun in einer verzweifelten Situation steckt. Ohne Wissen seines Intedanten ist er mal schnell nach Berlin geflogen wegen einer kleinen, aber doch lukrativen Hörspielrolle. Und nun muss er erkennen, dass er zur nächsten ausverkauften Shakespeare-Vorstellung gar nicht in Hannover sein kann.
Auch der junge Geschäftsmann Wolfgang Spitz (Harald Leipnitz) hält sich im Flughafengebäude auf, mit dabei seine attraktive Geliebte Lisa (Karin Hübner), die sogar den teuren Pelzmantel von Frau Spitz trägt - sie soll dafür sorgen, dass der erwartete Geschäftspartner aus Frankfurt anbeißt und für Spitz Kohle locker macht. Die braucht er auch dringend, denn der Mann steht mit einem Bein im Knast. Er hat Wechsel, die morgen früh fällig sind und darüberhinaus mit falscher Unterschrift versehen. Die letzte Rettung scheint der gelandete Großspediteur Schreiber (Paul Esser) zu sein, denn der scheint auf Lisa ein Auge geworfen zu haben.
Chefmonteur Ernst Kramer (Walter Buschhoff) sollte eigentlich nach Karatschi fliegen, doch der auferlegte Aufenthalt erweckt in ihm die Idee nochmals in die Stadt zu fahren und seine Geliebte Mausi (Korinna Rahls) zu besuchen, Frau Kramer (Gerda Blisse) ist natürlich vom Doppelleben des Gatten völlig ahnungslos. Eine weitere Ehe auf dem Prüfstand:. Mascha (Louise Martini) will mit ihrem italienischen Geliebten Renzo (N. Sokatscheff) vom Ehealltag türmen, doch ihr Mann (Werner Peters) ist schon im Anmarsch mit den Kids. Die junge Filmschauspielerin Sylvia Stössl (Hannelore Elsner) zieht die Augen der Männerwelt auf sich. Der Mann am Schalter schwärmt für sie, ebenso stellen ihr einige Halbwüchsige im Flughafengebäude nach. John McLeod (Bruce Low) ein Geschäftsmann aus Kenia flirtet immer mehr mit der hübschen Juanita (Alexandra Stewart) ,die am Flughafenschalter arbeitet. Die beiden fangen an zu träumen. Zwischendurch tauchen Gaststars wie Mario Adorf oder Wolfgang Neuss auf. Ein musikalischer Break in der Mitte des Films wird von der polnischen Sängerin Wanda Warska und dem Andrzej Trzaskowksi Quintett mit einem atmosphärisch dichten jazzigen BlueNote Song bestritten...


 es sind stimmungsvolle Impressionen am Flughafen, die jeweils Momentaufnahmen zeigen und auch ganz schnell wieder der Vergangenheit angehören. Will Tremper hat dies großartig in Szene gesetzt und "Die endlose Nacht" wirkt wie ein Film der Nouvelle Vague. Alle Einzelheiten sind miteinander verflochten und überschneiden sich in ihrem zeitlichen Ablauf. Es ist aber kein Episodenfilm, wie man meinen könnte, sondern eine kühl inszenierte Geschichte über eine Gruppe von Menschen, die alle eine Nacht lang im selben Gebäude warten müssen, weil sie an der Weiterreise gehindert werden. Gemeinsamkeit auf so eine zufällige Weise ist dabei eher eine Illusion, die besonders deutlich beim Flirt von McLeod und Juanita gemacht wird. Man träumt sogar von der großen gemeinsamen Zukunft, doch man geht am Ende - da plötzlich eine in einer Maschine ein Platz nach Kenia frei wird - ohne Abschied auseinander.
Regisseur Will Tremper wurde durch seine Dreuhbücher für "Die Halbstarken" (Regie: Georg Tressler) und "Nasser Asphalt" (Frank Wisbar) bekannt. 1961 inszenierte er mit "Flucht nach Berlin" seinen ersten Film. Es folgte "Die endlose Nacht", der zwar heute etwas in Vergessenheit geraten ist, aber damals 4 deutsche Filmpreise abräumte. Hans Jura bekam das goldene Filmband für seine exzellente schwarz-weiß Kameraarbeit, Harald Leipnitz wurde als bester Darsteller ausgezeichnet. Peter Thomas gewann Gold für die Beste Filmmusik und der Film selbst wurde mit dem Filmband in Silber honoriert. Ein Jahr später errang Tremper beim deutschen Filmpreis Drehbuchgold für "Verspätung in Marienborn". 1964 machte er sogar eine Stippvisite bei Edgar Wallace. Das Script zu "Zimmer 13", einem sehr guten Exemplar der Filmreihe, geht auf sein Konto. Interessanterweise wurde es danach leider sehr still um ihn.
Aus heutiger Sicht muss man diesen Film sicherlich zu den ganz großen deutschen Filmen der 60er Jahre zählen.


Bewertung: 9,5 von 10 Punkten. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen