Freitag, 17. Juni 2016

Bitterer Reis

























Regie: Giuseppe de Santis

Liebe und Reis...

"Bitterer Reis" aus dem Jahr 1949 ist einer der bekanntesten Werke des italienischen Neorealismus und wurde von Giuseppe De Santis gedreht und ist thematisch ein naher Verwandter der Meisterwerke "Stromboli" (Roberto Rosselini, 1949), Fahrraddiebe" (Vittorio de Sica, 1948) oder "Die Erde bebt" (Luchino Visconti, 1947), die ebenfalls in den frühen Nachkriegsjahren gedreht wurden. Seinen großen Publikumserfolg verdankt der Film aber eher seinen Äusserlichkeiten - den leichtgeschürzten Arbeiterinnen und vor allem der erotischen Ausstrahlung seiner Hauptdarstellerin Silvana Mangano, die mit dieser Rolle zum Weltstar wurde. In der Umgangssprache in der Bundesrepublik galt der Ausdruck "Bitterer Reis" sogar eine Weile als ein Synonym für übergroße Busen. Der Film ist zwar manchmal wie eine Kolportage inszeniert, dennoch vermittelt "Bitterer Reis" ein realistisches Stück Sozialkritik und bescherte auch der Hollywood Schauspielerin Doris Dowling ein kleines Comeback. Sie begeisterte einige Jahre zuvor als perspektivlose Prostituierte an der Seite von Ray Milland in Wilders Alkoholiker-Drama "Das verlorene Wochenende" und spielte anschließend die ermordete alkohlsüchtige Ehefrau von Alan Ladd im Film Noir "Die blaue Dahlie. Danach wurde es still um sie, sie ging Ende der 40er Jahre nach Italien und wurde von de Santis als Gangsterbraut Francesca für seinen Film verpflichtet.
Die "Mondinas" sind Saisonarbeiterinnen, die einmal im Jahr für einige Wochen in die Po-Ebene reisen um dort Reis anzupflanzen. Sie treffen sich zahlreich am Bahnhof, wo sie zum Bestimmungsort gefahren werden. Dort hält sich auch der Juwelendieb Walter (Vittorio Gassmann) mit seiner Freundin Francesca (Doris Dowling) auf. Er hat ein wertvolles Halsband gestohlen und ist auf der Flucht vor der Polizei. Daher braucht er die Komplizenschaft von Francesca, die das Schmuckstück an sich nimmt und er versucht sich unerkannt unter die Reisenden zu mischen. Er entdeckt dort auch die attraktive und vitale Silvana (Silvana Mangano), die Boogie Woogie tanzt. Er tanzt mit der Schönheit, doch die Gesetzeshüter entdecken ihn und er muss am Bahnhof flüchten. Francesca entschließt sich mit den Mondinas zu fahren, um etwas Geld zu verdienen. Sie freundet sich während der Fahrt mit Silvana an. Da Francesca aber das gestohlene Schmuckstück entdeckt, kommt es auch zur Rivalität zwischen den beiden Frauen. Durch den Soldaten Marco (Raf Vallone), der sich in Silvana verliebt, können die beiden Frauen den Streit aber wieder begraben. Bald taucht auch Walter wieder auf. Francesca hat vor ein ehrliches Leben aufzubauen, auch Walter scheint eher Augen für Silvana zu haben. So versucht er mit ihrer Hilfe die hart schuftenden Frauen um einen großen Teil ihres Lohns zu bringen. Eine Katastrophe ist unausweichlich...


Produzent Dino de Laurentis setzte auf die Erotik seines Sozialdramas und die Rechnung ging an der Kinokasse auf. Das Drama der Leidenschaften wurde ein internationaler Erfolg. Sehr gelungen ist die Verbindung zwischen Melodram und dem harten Realismus, der die schlechten Lebensbedingungen der "Mondine" eindrücklich schildern. Die Gewalt scheint befreiend zu wirken, wenn man den blutigen kampf im Schlachthaus interpretiert, der auf dem Höhepunkt des Films stattfindet und vielleicht auch für ein Symbol des Aufstandes der Unterdrückten steht. Die amourösen Verwicklungen zwischen zwei Paaren legen auch die schonungslose Wahrheit über die große Armut offen, die nach dem 2. Weltkrieg weit verbreitet war. Auch die Arbeit muss ohne Pause verrichtet werden, dabei soll nicht miteinander gesprochen werden. Dieses Verbot umgehen die Arbeiterinnen mit Gesang. Die Texte, die sie dazu singen, fungieren als Dialog mit den anderen Arbeiterinnen, so können sie trotz des Verbotes miteinander kommunizieren und sagen, was sie zu sagen haben. Herausragend ist auch die Bildgestaltung (Kamera: Otello Martelli) des Filmes, der sogar stellenweise Film Noir Anteile sichtbar macht.  Besonders in den Nachtaufnahmen und im Verlauf des Finales ist Martellis Kameraarbeit nicht nur kunstvoll sondern bewusst artifiziell und düster.  Wie der Film Noir war der Neorelismus vom französischen Poetischen Realismus der Vorkriegsjahre beeinflusst. Viele Beschreibungen des Films geben an, dass der Film während der Reisernte spielt. Tatsächlich findet die Handlung aber während der Pflanzung im Mai statt. Der im Lager vorhandene Reis stammt aus dem Vorjahr und dient auch zur Bezahlung der arbeitenden Frauen.


Bewertung: 9 von 10 Punkten.

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