Mittwoch, 27. Januar 2016

Faust - Eine deutsche Volkssage

























Regie: Friedrich Wilhelm Murnau

Ein verhängnisvoller Pakt...

"Faust - eine deutsche Volkssage" entstand 1926 und gilt als eines der größten Meisterwerke des Filmpioniers Friedrich Wilhelm Murnau, der im Alter von 43 Jahren auf tragische Weise bei einem Autounfall in Santa Barbara, Kalifornien starb. Seine Filme waren geprägt vom Expressionismus, seine psychologische Bildführung und die damals revolutionären Kamera- und Montagearbeiten waren für die damalige Zeit bahnbrechend und eröffneten dem Film-Medium, das noch in den Kinderschuhen stand, völlig neue innovative Möglichkeiten. Dies kann man auch in "Faust" bewundern, denn eine Szene dokumentiert vielleicht am stärksten die Zusammenarbeit zwischen Architektur und Kameraführung: Der Flug Mephistos (Emil Jannings) und Fausts (Gösta Ekman) auf dem Mantel Mephistos nach Parma. Diese Sequenz setzt sich aus einer ganzen Reihe von Spezialeffekten zusammen. Für den "Abflug" wurden Jannings und Ekman auf dem Mantel stehend vor einem schwarzen Hintergrund gefilmt. Die Kamera bewegte sich dann in schneller Fahrt vor ihnen fort. Die Aufnahme wurde anschließend über das zuvor zersprungene Fenster kopiert und so entsteht der Eindruck, dass sich nicht die Kamera entfernt, sondern die Darsteller auf dem Mantel Mephistos. Für den eigentlichen Flug war dann noch zusätzlich ein Wagen notwendig, auf dem die Kamera platziert wurde. Dieses Gefährt war eine Konstruktion von Kameramann Carl Hoffmann.
Diesen hätte Murnau durch den Amerikaner Charles Rosher ersetzen sollen, denn das war die Bedingung dafür, dass der damals große Hollywoodstar Lilian Gish die Rolle des Gretchens übernommen hätte. Er hat dann schließlich abgelehnt, was dann zur großen Chance der Filmdebütantin Camilla Horn wurde, die in dieser Rolle glänzte.
Goethes berühmtes Werk ist von Anfang bis Ende in spektakuläre Szenen eingebettet, was bereits beim Auftakt sichtbar wird. "Aufgetan sind die Pforten der Finsternis und die Schrecken der Völker jagen über die Erde..." der Zuschauer wird konfrontiert mit dem ewigen Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Licht und Dunkelheit. Die vier apokalyptischen Reiter erscheinen, der Satan breitet seine mächtigen Schwingen über die Welt. Doch der Erzengel (Werner Fuetterer) stellt sich dem Kampf um die Seele der Menschen.
Der alte Alchemist Faust (Gösta Ekman) lebt in der Zeit als sich das Mittelalter verabschiedet und langsam die Neuzeit beginnt. Um seine von der Pest bedrohten Mitbürger zu retten, verschreibt er sich für einen Tag dem Teufel (Emil Jannings). Er rettet einen Totkranken und wird sofort von der Menge als Retter und Heiler umjubelt. 
Doch eine weitere Heilung kann er nicht vollbringen, weil die Kranke ein Kreuz in der Hand hält. Jetzt will die Menge Faust steinigen, er rettet sich in sein Studierzimmer. Mephisto gibt ihm zu verstehen, dass dieser Probetag noch nicht zu Ende ist und macht ihm nun das Ideal der Jugend schmackhaft. So wird Faust wieder zum jungen Mann. Mit der Jugend wird auch Reichtum und Macht geschenkt.Am Abend will Faust auf diese Jugend auch nicht mehr verzichten. Der Pakt mit dem Teufel ist gemacht.  Er kann aber die Herzogin von Parma (Hanna Ralph) für sich gewinnen und entführen - durch eine List von Mephisto, der ihren Mann (Eric Barclay) aus dem Wege räumt. Nach der Rückkehr in die Heimat trifft er in der Stadt das junge Gretchen (Camilla Spira), die gerade in die Kirche will.
Er verliebt sich in sie.  Mit Mephistos Trick kommt ein Zusammentreffen mit Gretchen im Garten von Marthe Schwerdtlein (Yvette Guilbert) zustande. Auch das Mädchen verliebt sich in ihren Verehrer und gewährt ihm schließlich Zugang zu ihrer Kammer. Doch Mephisto ist daran gelegen, dass das Liebespaar entdeckt wird. Er lässt durch einen Wind die Mutter (Frida Richard) erwachen und lockt Gretchens Bruder Valentin (Wilhelm Dieterle) aus dem Wirtshaus nach Hause. Es kommt zum Kampf zwischen Valentin und Faust, doch Mephisto tötet Valentin im Hintergrund und ruft noch in der Nacht in der ganzen Stadt den Mord aus. Faust muss flüchten. Gretchen kommt an den Pranger und bringt ein Kind zur Welt. Sie irrt mit dem Neugeborenen durch den Schnee. Ihr Geist ist inzwischen verwirrt. Sie sieht eine Wiege und legt dort das Kind hinein. Aber in Wirklichkeit ist es ein Schneehaufen und das Kind stirbt. Nun wird sie als Kindsmörderin auf dem Scheiterhaufen sterben müssen. Angesichts des Leids, dass seine Jugend hervorgebracht hat, verflucht Faust seine Jugend. Er steigt zu ihr als alter Mann auf den Scheiterhaufen. Dadurch wird er von der Sünde befreit und entsühnt. Am Ende treffen sich Erzengel und der Feind aus der Finsternis noch einmal. Dort wird dem Teufel klar gemacht, dass alle seine Bemühungen ins Leere laufen, wenn die Kraft der "Liebe" geübt wird. Der Teufel kennt dieses Wort nicht...



"Faust - Eine deutsche Volkssage" ist einer der besten Stummfilme der Weimarer Republik. Der Film ist auch heute noch faszinierend und ungeheuer atmosphärisch. Eine wesentliche Rolle für diese Dichte und Tiefe wurden durch die Bauten erreicht. Robert Herlth und Walter Röhrig entwarfen u.a. eine mittelalterliche Stadt mit spitzen Gibeln, dunklen Winkeln und treppenartigen Straßen. In dieser engen Welt beginnt und endet das religiös-philosophische Drama. Die suggestive Stimmung wird dabei immer wieder mit praller Action erweitert. Umso erstaunlicher, dass "Faust" ein reines Studio Projekt ist. Für Murnau war es wichtiger, Schatten zu machen als das Licht zu stellen. Es wird Nacht, als Mephisto sienen Mantel über die Stadt ausbreitet. Schatten sind die Vorboten für die Pest. Natürlich darf Emil Jannnings nicht unerwähnt bleiben - er liefert einen brillianten "Mephisto" ab und glänzt in seiner Rolle. Auch seine Kostümierungen sind legendär, sowohl als alter, furchterregender Gnom mit stechenden Augen als auch als Junker mit Feder, Degen und spitzem Hut. Ein paar Jahre später sollte er der erste Schauspieler und bis heute immer noch einzige Deutsche sein, der den Oscar erringen konnte.


Bewertung: 10 von 10 Punkten.

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