Sonntag, 9. Oktober 2016

Iwans Kindheit




Regie: Andrej Tarkowski

Wunschtraum und Wirklichkeit...

"Iwans Kindheit" aus dem Jahr 1962 ist der erste Spielfilm des russischen Regisseurs Andrei Tarkowski, der einmal gesagt hat, dass er der Anhänger jener Kunst ist, die in sich eine Sehnsucht nach dme Idealen träget, das Streben danach zum Ausdruck bringt. Er will als Künstler den Menschen Hoffnung und Glauben geben. Je hoffnungsvoller die Welt ist, von der ein Künstler erzählt, umso deutlich wird er vielleicht das ihr entgegengesetzte Ideal erspüren lassen. Und genau dies ist bei "Iwans Kindheit" der Fall. Denn die Gegenwart ist trostlos bis hoffnungslos.
Doch Tarkowski legt keinen großen Wert auf eine geradlinige Erzählung, sondern stellt dem Grauen des Krieges immer wieder in Rückblenden die unbeschwerte schöne Kindheit von Iwan gegenüber. Glückliche Tage am Strand mit seiner Schwester und mit seiner Mutter. Der Film entstand nach der literarischen Vorlage "Leuchtspur über den Strom" von Wladimir Bogomolow. Es ist die Geschichte einer durch den Krie zerstörten Kindheit.
Der schwarz weiß Film zeigt den 12jährigen Iwan Bondarow (Kolja Burjajew), der Kundschafter der Rotarmisten an der Ukrainefront ist. Der Junge ist inzwischen Vollwaise und konnte nur mit Glück dem deutschen Todeslager entfliehen. Seitdem verfolgen ihn die Alpträume noch mehr. Seine schönen Kindheitserinnerungen münden im Traum immer mehr in schreckliche erlebte Horrorszenarien ein. Der Waisenjunge riskiert als Späher im Dnjepr-Gebiet jedesmal sein Leben. Oberstleutnant Grjasnow (Nikolai Grinko) und Hauptmann Cholin (Walentin Subkow) sind so eine Art Ersatzfamilie für den Jungen geworden, der unbedingt gegen seine Feinde, die Deutschen, kämpfen will. Schließlich sind das auch die Mörder seiner Mutter und seiner Schwester. Grjasnow möchte Iwan in Sicherheit wissen und beschließt ihn auf eine Militärschule zu schicken. Dies lehnt der Junge entschieden ab. Schließlich gibt sein Vorgesetzter nach. Iwan freudet sich auch mit dem jungen Leutnant Galzew (Jewgeni Scharinkow) an. Der Film stellt auch das Leben der Soldaten dar, denen Iwan begegnet. Ein Handlungsstrang zeigt den Kontakt zwischen Cholin und der Armee-Krankenschwester Mascha (Walentina Maljawina)  und seine nicht von Erfolg gekrönten Annäherungsversuche, da Mascha mehr für den jungen Galzew empfindet. Der überwiegende Teil des Films spielt in einem Bunker, mit Offizieren, die angsterfüllt auf ihre Befehle warten, Operationen planen oder belanglos plaudern, wobei Iwan ungeduldig und angespannt seiner nächsten Aufklärungsmission harrt. Ein letztes Mal gelingt es Iwans Kameraden ihn bei Nacht und Nebel mit einem Booet unweit der Front auszusetzen. Der Junge verschwindet hinter den feindlichen Linien und kehrt nie mehr zurück..


Am Ende des Films ist in Berlin die Naziherrschaft zusammengebrochen, die rote Armee herrscht in der zerstörten Stadt. Galzew findet dort Dokumente über den Verbleib des Jungens. Er erfährt, dass Iwan hingerichtet wurde. Tarkowski zeigt dem Zuschauer die Zelle mit dem Galgen, wo er getötet wurde. Am Ende tauchen dennoch hoffnungsvolle Bilder am Strand auf. Iwan rennt dort mit seiner Schwester an einem schönen Sommertag herum. Die Kamera fängt einen toten Baum ein. Kein Wunder, dass der schwedische Meisterregisseur von "Iwans Kindheit" begeistert war. Ich ebenso. Der Film wirkt vor allem durch seine markante Bildsprache, die an das Gefühl appelliert und bestimmte Stimmungen auslöst. Der Gegensatz zwischen der friedlichen verlorenen Welt ist ständig präsent durch die zerstörerisch wirkende Kriegswelt, die düster, bitter und brutal wirkt. "Iwans Kindheit" wurde 1962 bei den internationalen Filmfestspielen in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet. Die Bilder sind doch allein schon so ausdrucksstark und stimmungsvoll, fast elementar, manchmal sogar sakral, aber immer von Schwermut durchtränkt.



Bewertung: 10 von 10 Punkten.

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