Samstag, 2. Juli 2016

Rächer der Enterbten


Regie: Nicholas Ray

Jesse James, der neurotische Killer...

In Nicholas Rays erster Regiearbeit, dem Film Noir mit Roadmovieanteilen "Im Schatten der Nacht" taucht bereits seine Lieblingsfigur auf. Der soziale Aussenseiter und vor allem der Jugendliche, der gegen die vorherrschende Gesellschaft rebellieren will. In "Im Schatten der Nacht" spielt Farley Granger diesen jungen Typen, im folgenden "Vor verschlossenen Türen" spielt John Derek an der Seite von Humphrey Bogart den jugendlichen Deliquenten. Seinen größten Coup landet der Regisseur allerdings mit dem jungen James Dean, der 1955 in "denn sie wissen nicht, was sie tun" den unverstandenen Jim Stark, einen Jugendlichen aus der oberen Mittelschicht spielt und mit dieser Rolle unsterblich wird. Ray gelingt es mit diesem ernsthaften Teenager-Film erstmalig einen Film speziell für die junge Generation zu gestalten. Ein Film über das Phänomen der rebellischen Jugend nach dem 2. Weltkrieg - den Halbstarken, die mit RocknRoll die Erwachsenenwelt entsetzten. Erstmalig wurde auch ein markanter Generationenkonflikt sichtbar. Ray hat vielleicht als einer der ersten Filmemacher den Teeanger für sich entdeckt und inszenierte diesen sowohl düster als auch romantisch. Auch in seinem leider verstümmelten Western "Rächer der Enterbten" (Original: The True Story of Jesse James) den Ray 1958 inszenierte, tauchen solche Figuren wieder auf. Die Jungstars Robert Wagner (Prinz Eisenherz) und Jeffrey Hunter (Der schwarze Falke) spielen die Brüder Jesse und Frank James. Ebenfalls junge Rebellen - sinnlich und gewalttätig. Die Hauptfigur Jesse sogar noch viel mehr als sein intellektueller, sehr gebildeter Bruder. Er hat den Sezessionskrieg erlebt, ist gezeichnet dadurch und findet irgendwann sogar Gefallen an seinem Leben als Gangster, der von Teilen der Bevölkerung auch verehrt wird wie Robin Hood, dem Rächer der Enterbten. Aber der junge Mann hat auch neurotische züge inne, denn er hat auch inzwischen Gefallen daran gefünden zu töten. Zuerst wollte Ray sogar die RocknRoll Ikone Elvis Presley für den Film gewinnen. Denn er versprach sich ein ähnlich kultiges Potential wie James Dean. Das Studio bevorzugte aber Wagner. Und tatsächlich passt auch er als gut aussehender All American Boy perfekt zu dieser Rolle. Fox Produzent Buddy Adler übte aber leider starken Einfluss auf den Film aus und ließ einige wichtige Szenen entfernen. So kommt "Rächer der Enterbten" leider nicht an die hervorragende Qualiät von Rays ungewöhnlichen und damals arg kritisierten Western "Johnny Guitar" heran. Die chronologische Erzählweise, die Ray auferzwungen wurde, raubte dem Film seine große Eigenständigkeit und verhinderten vielleicht ein weiteres Meisterwerk des Genres. Was bleibt ist ein guter und solider Beitrag des Western.
Erzählt wird der Film über das Leben der Brüder Jesse (Robert Wagner) und Frank James (Jeffrey Hunter) in Rückblenden. Die Gang ist auf der Flucht. Der Banküberfall in Northfield, bekannt als der große Minesota Überfall, ist gründlich schiefgelaufen. Einige Gangmitglieder sind erschossen worden, andere wurden gefangen genommen. Aus 10 Banditen sind nur noch drei übrig geblieben. Darunter die 2 Brüder. Sie sind nun über 400 Meilen von zuhause entfernt und verstekcen sich in Höhlen und Felsspalten. In dieser Situation eröffnet sich der Bilderbogen auf ein bewegtes Leben. Die Handlung beginnt in Jesses Heimat Missouri im Jahr 1864. Die Nordstaaten Guerillagruppe Jayhawkers überfallen die Farm der Familie James. Die Mutter (Agnes Moorehead) wird bedroht und der jüngere Jesse misshandelt, weil sie nicht sagen, wo der gesuchte Frank steckt, der auf der Seite von Südstaaten Partisanen kämpft. Der 16jährige Jesse verlässt aus diesem Grund die Farm und schließt sich wie sein Bruder den Kämpfern an. Als der Krieg zu Ende ist, werden die Südstaatler in Missouri diskriminiert. In den Köpfen besteht der Hass weiter. Jesse wird verwundet und während dieser Zeit lernt er die hübsche Zee (Hope Lange) kennen, in die er sich verliebt. Er heiratet das Mädchen. Doch das Glück wird gestört durch weitere Überfälle auf Farmen. Jesse, Frank und andere Farmer beschließen einen Banküberfall zu begehen, um ihre Farmen wieder aufzubauen. Doch statt der Rückkehr ins normale Leben wartet das unstete Leben von Outlaws. Die Polizei sucht die Bande, vor allem auf Jesses Kopf sind zuerst 500 Dollar, dann 1.000 Dollar und bald 5.000 Dollar ausgesetzt. Unter falschem Namen lebt Jesse mit seiner Frau in St. Joseph als Ehepaar Howard. Die falsche Identität bleibt unentdeckt - Zee muss aber damit leben, dass ihr Mann Jesse immer mal wieder für ein paar Tage geschäftlich verreist. Nach dem Überfall kommt er dann als braver Bürger zu seiner Frau zurück. Jesses Name wird zur Legende, viele junge Typen möchten in seine Fußstapfen als Revolverheld treten. So auch die Brüder Robby (Carl Thayler) und Charly Ford (Frank Gorshin) ...


Dadurch das der Produktionschef der Fox Buddy Adler anordnete, dass der Film konventionell geschnitten werden muss, weil er glaubte, dass sonst keinen den Inhalt verstehen würde, verhinderte er die künstlerische Eigenständigkeit von Rays Version der Lebensgeschichte von Jesse James. Im Grunde wollte das Studio ja eine Neuauflage des 40er Jahre Films von Henry King. Ray ging es um viel mehr. Er wollte einen progessiven Jesse James, der zwiespältig rüberkommt. Einer der sich auf dem Selbstzerstörungstrip befindet, aber versucht das Glück ausserhalb eriner rigoros repressiven Gesellschaft zu finden. Dies alles mit einer unkonventionellen Erzählstruktur. So ereilte auch "Rächer der Enterbten" ein ähnliches Schicksal wie viele andere verstümmelte meisterwerke der Filmgeschichte - wie beispielsweise Sam Peckinpahs "Sierra Charriba" oder Orson Welles immer noch großartiger "Der Glanz des Hauses Amberson". Dennoch schimmert die Qualität dieses Films immer wieder durch. Trotz dem Titel "Rächer der Enterbten" ist Rays Jesse James niemals dieser Robin Hood. Sondern ein verstörter Erwachsener, der immer noch nicht erwachsen ist und Gefallen findet an aggressiver Action.



Bewertung: 7,5 von 10 Punkten.

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