Sonntag, 4. Juni 2017

Der letzte Zeuge

























Regie: Wolfgang Staudte

Einseitige Ermittlung....

Wolfgang Staudtes Kriminalfilm "Der letzte Zeuge" entstand kurz nach seinen beiden Vergangenheitsbewältigungsfilmen "Rosen für den Staatsanwalt" und "Kirmes". Und wieder entwarf er eine kritische Zustandsanalyse der noch jungen Bundesrepublik und attackiert dabei das längst überholte Justizordnung im Wirtschaftswunderland. In dieser Zeit werden Untersuchungsgefangene wie bereits Verurteilte behandelt, die Rechte sind extrem eingeschränkt. Kein Telefonat an Angehörige, die im Unklaren sind, wo der Verdächtige sich aufhält. Keine Post nach draußen. Der Anwalt kann zwar mit dem Mandanten reden, aber ein Justizvollzugsbeamter geht bei offener Tür draußen auf und ab und kann mithören. Ausserdem wird dem Anwalt Akteneinsicht verweigert - er wird als Komplize des Täters betrachtet. Am schlimmsten kommt aber in "Der letzte Zeuge" die Kriminalpolizei weg - denn die hat am Tatort bereits in ihren Ermittlungen festgestellt, dass es nur zwei Tatverdächtige gibt und ermittelt in Folge daher nur noch "einseitig".
Dies führt zur Verhaftung von Ingrid Bernhardy (Ellen Schwiers), Geliebte von Werner Rameil (Martin Held), dem angesehen Direktor der Impex-Werke. Sie soll in Hamburg das gemeinsame vier Monate alte Töchterchen mit einem Gürtel erwürgt haben. Die völlig verzweifelte Frau ruft nach Entdeckung der Kinderleiche ihren älteren Lover an, der sich in einem Hotelzimmer in Berlin aufhält.
Der eilt noch in der Nacht nach Hamburg - da ist die Frau aber schon verhaftet und mit ihr der junge Arzt Dr. Heinz Stephan (Jürgen Goslar), ein früherer Geliebter von Ingrid. Der könnte mit dem ältesten Motiv der Welt "Eifersucht" ebenfalls ein potentieller Mörder in diesem Fall sein. Zu diesem Schluß kommen jedenfalls Kriminalinspektor Gerhuf (Siegfried Wischnewski) und Kriminalsekretär Wenzel (Harald Juhnke). Es gab nur drei Personen, die einen Hausschlüssel hatten...Ingrid Bernardy, Dr. Heinz Stephan und Werner Rameil, wobei letzterer mit seinem Aufenthalt in Berlin zur Tatzeit ja ein hieb- und stichfestes Alibi vorweisen kann. Da Ingrid einen lockeren Lebenswandel pflegte mit vielen Affären und männlichen Bekanntschaften scheint sie am ehesten fähig zu sein ihr Kind zu beseitigen. Tatsächlich werden Ingrid und Dr. Stephan in Untersuchungshaft genommen - und dank einiger entlastender Aussagen kommt der junge Arzt vor der Gerichtsverhandlung wieder frei. Nun ist Ingrid die einzige Angeklagte im Mordfall. Der geschickte Anwalt Dr. Fox (Hanns Lothar) übernimmt den Fall, denn irgendwie kann er nicht glauben, dass Ingrid eine Mörderin ist, obwohl alles für sie spricht. Von seiner Assessorin Ebeling (Lore Hartling) wird er darauf aufmerksam gemacht, dass die Gattin von Rameil auch ein Motiv haben könnte. Obwohl es nicht sehr wahrscheinlich ist, dass Gerda Rameil (Adelheid Seeck) überhaupt etwas von der Liason ihres Mannes weiß, geschweige dass da ein uneheliches Kind auf sein Konto geht, verfolgt Fox diese Idee...


Im Kleid eines Kriminal- und Gerichtsfilms deckt Staudte die Mißstände bei Justiz und Polizei auf. Da wird dann einer Zeugin, der etwas geschwätzigen Gymnastiklehrerin von Ingrid (Blandine Ebinger) vom eifrigen Kriminalsekretär Aussagen praktisch in den Mund gelegt, die die Untersuchungsgefangene belasten sollen. "Entlastung" scheint ein Fremdwort. Stark herausgearbeitet ist die Doppelmoral dieser Zeit. Während der vermögende Geschäftsmann Rameil von der Polizei so schonend und diskret wie möglich beim Verhör behandelt wird, so sehr fällt nicht nur der Bürger, auch der Staatsanwalt und Richter das Urteil über die Frau. So eine flatterhafte Frau, die ihre Männer ständig wechselt, ist auch fähig ihr Kind zu töten. Zum Glück ist da ein Anwalt, der für eine Veränderung der Justiz kämpft. Hervorragende Schauspieler und eine sehr ruhige, aber dafür immens präzise Inszenierung machen "Der letzte Zeuge" zu einem sehr guten Genrefilm der frühen 60er Jahre. Es gab zwei Filmbänder in Gold für die Darsteller Hanns Lothar und Blandine Ebinger.


Bewertung: 7,5 von 10 Punkten. 

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