Sonntag, 4. Juni 2017

Onkel Harrys seltsame Affäre

























Regie: Robert Siodmak

Obsessionen und Neurosen in der kleinen Stadt...

Einer dieser Filmklassiker, die am Ende mit einem überraschenden Schluß aufwarten und das Publikum im Nachspann bitten nichts davon weiterzuerzählen, damit auch zukünftige Zuschauer von diesem Plot nichts wissen. William Castles "Homicidal" hatte diesen Verweiß am Schluß, vor ihm aber auch Robert Siodmak mit seinem weniger bekannten Film Noir "Onkel Harrys seltsame Affäre". Der Film entstand 1945 in der Mitte seiner "Schwarzen Serie". Vor diesem Film gelangen ihm gute Arbeiten in diesem Genre wie "Weihnachtsurlaub", "Unter Verdacht" oder "Zeuge gesucht". Nach Onkel Harry entstanden seine bekanntesten Noirs "The Killers" und "Die Wendeltreppe" oder "Der schwarze Spiegel".
"Onkel Harrys seltsame Affäre" war damals beim Kinostart kein Kritikerliebling. Man empfand die Inszenierung als zu langsam und fand auch George Sanders als Ich-schwacher Harry Quincey als eine echte Fehlbesetzung. Was ich eigentlich gar nicht so empfinde, Sanders macht seine Sache gut als einsamer, unglücklicher Mann im Dickicht dieser Kleinstadt, in der er lebt. Ein Schwächling, der durch seine gutmütige Art auf der Strecke bleibt. Denn der Designer ist heillos in einer Familienstruktur verstrickt, die ihn eigentlich kaum atmen lässt - aber er erträgt dies alles mit Geduld.
Eine Frau hat er nie gefunden und inzwischen findet sich der eingefleischte Junggeselle im fortgeschrittenen Alter und opfert sich für seine beiden ungleichen Schwestern auf. Die verwitwete Hester (Moyna McGill) und die jüngere Lettie (Geraldine Fitzgerald) streiten sich oft, die Haushälterin Nona (Sara Allgood) muss oft schlichten und darüberhinaus ist Lettie extrem besitzergreifend. Sie sieht es nicht gerne, wenn Harry sich mehr um andere Menschen kümmert. Alle drei leben zusammen in dem ehemaligen Haus der reichen Eltern. Gelegentlich trifft sich Harry mit ein paar Kumpels zum Singen und Klavier spielen in einer örtlichen Kneipe. Sein Leben wird aber heftigst durcheinandergewirbelt, als die junge attraktive Deborah Brown (Ella Raines) aus New York eines Tages in seiner Firma auftaucht. Die Frau wird durch den Betrieb geführt und interessiert sich sehr für die Bilder und Kreationen von Harry. Es bleibt nicht aus, dass er ihr die Stadt zeigen will. Lettie tut so, als freue sie sich für ihren Bruder, doch der Schein trügt. Eine ganz destruktive Eifersucht überfällt sie und sie versucht mit allen Mitteln, der neuen Freundin im Leben ihres Bruders Stolpersteine in den Weg zu legen. Das geht soweit, dass sie die geplante Hochzeit langsam aber sicher sabotiert und nach einem Kirchgang muss sich Harry zwischen Deborah und Lettie entscheiden...



Keine Frage, dass der gutmütige Trottel sich falsch entscheidet und dann bemerkt, dass seine Schwester eine böse neurotische Frau ist, die gerne zerstört. Er will sich befreien und dabei spielt das Gift, dass Lettie bei einem Apotheker besorgt hat um den alten Hund einzuschläfern eine ganz wichtige Rolle. Jedenfalls überschlagen sich in dieser Phase die Ereignisse in diesem Noir einer Kleinstadt. Dabei mutiert Geraldine Fitzgerald, oscarnominiert für "Wuthering Heights", immer mehr zur Femme Fatale, die noch im Angesichts des Todes ihr zerstörerisches Spinnennetz baut. Obwohl der Film wenig bekannt ist und nicht zu Siodmaks besten Arbeiten gezählt wird - es lohnt sich ein Blick in diesen Thriller, dessen Ende vielleicht sogar die einzige Schwachstelle ist. Denn die sind tatsächlich dem Hays Code geschuldet. Es sollte nicht sein, dass ein Giftmischer seiner Strafe entgeht, so ersannen Siodmak und die Drehbuchautoren Stephen Longstreet und Keith Winter ein alternatives Ende - eines mit Überraschungseffekt. Ohne wäre besser gewesen und hätte die düstere Note verstärkt. Insgesamt ist Siodmak aber ein atmosphärisch guter Krimi gelungen, der seinen neurotischen Touch sehr gut einstreut. Eine Kleinstadt und ihre ganz normalen Leute, die sich mehr und mehr als seelisch krank entpuppen, aber diese Symptome werden im Verborgenen ausgelebt.



Bewertung: 8 von 10 Punkten. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen