Donnerstag, 13. Dezember 2012

Die jungen Wilden



Regie: John Frankenheimer

Die Gewissensnöte eines Staatsanwaltes...

Das immer mehr gravierende Problem der Jugendkriminalität existiert nicht erst seit Heute. Immer wieder haben Filmemacher der verschiedenen Dekaden sich diesem Thema angenommen.
Beispielsweise stellt Luis Bunuel im 1950 gedrehten "Los Olvidados" diese Ghettokids in der Millionenmetropole Mexico City eindrücklich in ihrem Elend vor.
Jahre zuvor lernte das Kinopublikum mit Wylers "Sackgasse" oder Michael Curtiz "Chicago" die sechs Boys aus den Slums kennen, die als "Dead End Kids" Filmgeschichte schrieben.
In den 70er Jahren schlugen dann die Gangfilme eine wesentlich härtere Gangart ein, man erinnere sich an Walter Hills düstere Odyssee durch das nächtliche New York: "Die Warriors" flüchten von Versammlungsort Van Cortlandt Park in der Bronx Richtung Heimat Coney Island. Vor ihnen liegen aber diverse Bezirke, die von anderen Gangs beherrscht werden.
Hier ist dann erstmalig nicht nur die Grundtendenz niederdrückend, sondern auch die Perspektive für die Zukunft.
50er und 60er Hollywood Varianten boten immer noch eine Art HappyEnd in dieser Misere der Jugendkriminalität an, etwa die Unschuld eines Protagonisten, der einfach durch schlechte Gesellschaft auf die schiefe Bahn geriet und womöglich dann auch dessen Besserung durch einen entscheidenden Hilfeakt einiger Gutmenschen.
Richard Brooks "Saat der Gewalt" kann man hier als Referenz angeben, aber auch der jetzt auf DVD erschienene zweite Film des unterschätzten John Frankenheimer "Die jungen Wilden" aus dem Jahr 1961:
Danny Di Pace (Stanley Christien), Arthur Reardon (John Davis Chandler) und Anthony "Vampir" Apostolat (Neil Nephew) sind Mitglieder einer italienischstämmigen Straßengang, die sich "Thunderbirds" nennen. Ihr Revier ist das Viertel Spanish Harlem in New York City.
Die Thunderbirds haben einen Dauerkrieg mit der immer größer werdenen Anzahl der Konkurrenzgang "The Horseman" - Einwanderer aus Puerto Rico. Natürlich ist die Arbeitslosigkeit und auch Perpektivlosigkeit sehr hoch. Es regiert Hass.
Die drei Thunderbirds dringen am hellichten Tag ins Revier der Puerto Ricaner ein und töten den blinden Roberto Escalante mit ihren Messern. Danach werfen sie die Tatwaffen weg und flüchten. Dadurch dass es viele Augenzeugen gibt, werden sie schnell gefasst.
Vertraut mit dem Fall wird der versierte Staatsanwalt Hank Bell (Burt Lancaster), der selbst aus diesen Slums kommt und sich mit eisernem Willen dem Ghetto entsagt hat und sich bürgerlich hochgearbeitet hat.
Er ist in diesem Falle für die Todesstrafe, dies will auch der angehende Gouverneur Dan Cole (Edward Andrews), der sich von einem harten Urteil natürlich die erforderlichen Wählerstimmen erhofft.
Doch Bell hat nicht nur mit den Ermittlungen zu tun. Auf der einen Seite protestiert seine Frau Karin (Dina Merill) über die Todesstrafe, die ihr Mann fordert. Andererseits ist einer der Jungen das Kind von Bells früherer Freundin Mary Di Pace (Shelley Winters). Auf der Beerdigung von Escalante fordert auch dessen Mutter (Vivian Nathan) die ultimative Gerechtigkeit, die nur den Tod der Mörder bedeutet.
Trotzdem ermittelt Bell dann immer mehr auf beiden Seiten, er sucht nicht nur nach Beweisen für die Schuld der Jugendlichen, sondern legt auch ein Augenmerk auf entlastendes Material...

Armut, Unwissenheit, Rassenhass, Instabilität und Unsicherheit sind die Themen des Films von John Frankenheimer, den er 1961 als seinen zweiten Spielfilm gedreht hat. Schon in diesem Werk erkennt man die Klasse des Regisseurs, der Jahre später so großartige Filme wie "Botschafter der Angst", "Der Mann, der zweimal lebte" oder "Der Gefangene von Alcatraz" drehte. Frankenheimer erlitt durch den Tod seines Freundes Robert Kennedy ein Trauma, dass er versuchte mit Alkohol zu lindern. Dies hatte zur Folge, dass seine Filmarbeiten ab dieser Zeit darunter litten und er erst in seinem späten Lebensabschnitt mit "Ronin" und "Wild Christmas" noch zwei sehr gute Filme realisierte und so ein sehr spätes Comeback feiern konnte.
Vielleicht ist das Problem bei "Die jungen Wilden" die Dramaturgie, die irgendwann den Staatsanwalt mit seinen Gefühlen und Gewissenskonflikten in den Mittelpunkt stellt, anstatt ganz bei den Jungen zu bleiben.
Aber die Vorlage, der Roman "A Matter of Conviction" von Evan Hunter sieht dies so vor, dass die geistige Unruhe des Ermittlers im Zentrum der Geschichte steht.
Daher verspielt der Film vielleicht aus heutiger Sicht dieses große Thema. Trotzdem leistet der Film so einiges zu diesem Thema, wenn man das Jahr seiner Entstehung bedenkt: 1961 ist die Aussage mutig, sie geht vom Schwarz-Weiss Schema ab und zeigt auch die schwierigen Voraussetzungen, wenn man in diesen Ghettos chancenlos aufwächst.
Sehr eindrücklich ist auf jeden Fall die Sequenz, als Bell die Augenzeugin, die 15jährige Louisa Escalante (Pilar Seurat) vor Gericht ins Kreuzfeuer nimmt. Hier erweist sich der Film als subtil, denn am Ende steht der Respekt und die Wertschätzung für das Mädchen, dass man auch durch ihren Lebenswandel verurteilen könnte - besonders eben im Jahr 1961.
"Die jungen Wilden" ist nicht ganz das große Meisterwerk, aber ein recht guter empfehlenswerter Klassiker zu diesem Thema.
Er ist eher unbekannt, umso schöner, dass er jetzt als deutschsprachige DVD erscheint.
Bewertung: 8 von 10 Punkten.

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