Regie: Alfred Hitchcock
Willy an Bord...
Alfred Hitchcock war immer schon fasziniert von dem Gedanken, einen
Film zu machen, dessen Handlung sich auf einen sehr kleinen, begrenzten
Raum beschränkt. Und nie kam er diesem Ziel so nahe wie bei seinem
Kriegsfilm "Das Rettungsboot" aus dem Jahr 1944 - auch wenn er später
mit Rope (1948) und Bei Anruf Mord (1954) zweimal einen Thriller
realisierte, dessen Geschichte sich ausschließlich in einem Appartment
abspielt.
"Das Rettungsboot" kam 1944 in die Kinos und war Hitchcocks dritter
Spielfilm nach "Mord" und "Sabotage", der sich im Themenkreis "Zweiter
Weltkrieg" bewegt.
Und in Hitchcocks Filmographie einer der wenigen "experimentellen"
Werke - man hatte auch nie ein Hehl daraus gemacht, dass "Das
Rettungsboot" zu der Gattung der Propagandafilme gehört, mit den
herkömmlichen Verwandten dieses Genres hat der Film aber nur weni zu
tun. Vielmehr gelang Hitch auch ein subtile Abhandlung über den Zustand
der westlichen Demokratien. "Das Rettungsboot" in seiner Enge ist die
damalige Welt, in der sich der Selbstzweifel der Demokratien gegen die
überhebliche und mörderische Selbstgerechtigkeit der sogenannten
Herrenrasse behaupten muss.
Nachdem ein deutsches U-Boot ein amerikanisches Passagierschiff
torpediert hat, treiben die letzten Überlebenden in einem Rettungsboot
völlig orientierungslos auf dem Atlantik.
Der reiche Industrielle Charles D. Ritterhouse (Henry Hull), die
Krankenschwester Alice McKenzie (Mary Anderson), eine junge Mutter
(Heather King) mit ihrem Baby, der dunkelhäutige Stewart Joe (Canada
Lee), der deutschstämmige Gus Smith (William Bendix), Stanley Garrett
(Hume Cronyn), der etwas grobschlächtige John Kovac (John Hodiac) und
die bekannte Journalistin Constanze Porter (Talluah Bankhead). Das Baby
stirbt sehr schnell und Gus hat eine schwere Beinverletzung. Die
angespannte Situation ums Überleben verschärft sich noch, denn auch ein
Insasse des deutschen U-Bootes (Walter Slezak) hat überlebt und wird von
der Schicksalsgemeinschaft ins Boot gerettet. Doch diese gute Tat wird
unter den Amis kontrovers diskutiert. Vor allem Gus oder John, die
Männer, die auf dem Passagierschiff gearbeitet haben, wollen den "Feind"
gar nicht auf dem Rettungsboot haben und sind dafür ihn wieder der See
zu überlassen. Doch die Menschlichkeit siegt. Ausserdem scheint Willy -
so nennt sich der Mann - ein guter Seefahrer zu sein, der zudem auch
über eine gute Bildung und eine Medizinerausbildung verfügt. Tatsächlich
ist Willy der Kapitän des U-Bootes und nach und nach wird die
anfängliche Feindseligkeit in ein leichtes Vertrauen umgewandelt, da
Willy auch noch dem verletzten Gus durch eine Amputation das Leben
rettet. Bald vertraut man seinen nautischen Kenntnissen und hofft so die
nahen Bermuda Inseln zu erreichen. Aber so wird der kompetente und
verschlagene Nazi immer mehr zum Führer...
Tatsächlich ist "Das Rettungsboot" ein enorm spannender Film über
ein Schiffsunglück und kann auch mit starken Charakteren punkten. Nicht
nur Walter Slezak als U-Boot Kapitän ist völlig überzeugend, auch
Filmstar Talluah Bankhead begeistert richtig. Gerade weil man sie schon
in der ersten Szene (das Passagierschiff sinkt und sie sitzt glamourös
wie eine gelangweilte Diva bereits im Rettungsboot - sie fotografiert
die Katastrophe, weil sie eine große Story gefunden hat und schaut in
der Katastrophe wie ein perfekt frisierter und gestylter Hollywood-Vamp
mit Nerz und teurem Schmuck aus) nimmt man sie als eine Art Fremdkörper
wahr und dies bleibt sie auch, wenn das Boot sich langsam mit den
anderen Figuren füllt. Sie wird während des Ruderns ins Ungewisse zuerst
ihre Filmkamera, dann ihre Schreibmaschine und zuletzt noch ihre
Juwelen verlieren. Aber vielleicht wird sie ihr Leben retten. Am Ende
wiederholt Hitchock mit einem weiteren Schiffbrüchigen (William Yetter
jr) die Nazi-Paranoia.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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