Regie: John Frankenheimer
Perfide Gehirnwäsche...
Einer der am meisten unterschätzten Filmmeisterwerke der 60er Jahre ist John Frankenheimers Paranoia-Thriller "Botschafter der Angst" (Originaltitel: The Manchurian Candidate), der 2004 noch einmal von Jonathan Demme verfilmte wurde. Die Schlüsselszene wurde dabei in den Golfkrieg verlegt. Im Original spielte sich die Geschichte während des Koreakrieges ab.
Die literarische Vorlage zu "Botschafter der Angst" lieferte der
1959 geschriebene Roman von Richard Condon und wurde der damalige
US-Präsident John F. Kennedy fand die Geschichte so gut, dass er die
Verfilmung mit Frank Sinatra anregte und auch unterstützte. Dabei ist
die Handlung auch heute noch kühn und verwegen und pendelt mit
Leichtigkeit zwischen Satire und fiesem Politthriller dynamisch hin und
her.
Hat der beste Soldat seiner Einheit, der extrem beliebte Sergeant
Raymond Shaw (Laurence Harvey) seine beiden Kameraden Ed Mavole (Richard
LePore) und Bobby Lembeck (Tom Lowell) auf Geheiß eines seltsamen
chinesischen Arztes (Khigh Dhiegh) während eines Damenkränzchens
kaltblütig ermordet, während sich die gemütliche Location sich aber
immer wieder in eine Gehirnwäsche-Demonstration in einem Hörsaal
verwandelt ? Zumindest wird Shaws Kamerad Major Bennett Marco (Frank
Sinatra) immer wieder von solchen bizarren Träumen geplagt, er kann sich
aber keinen Reim darauf machen. Inzwischen ist die Einheit wieder in
den USA und Raymond Shaw wird als Held gefeiert, denn er hat seine
Infanterieeinheit gerettet und den Feind, von dem sie gefangen wurden,
zurückgeschlagen. Diese Heldentat wird mit der Ehrenmedaille belohnt.
Alle Kameraden geben unabhängig voneinander an, dass Shaw der
freundlichste, mutigste, wärmste, beste Mensch sei, dem man in seinem
Leben begegnet sei. Doch tief drinnen erinnert sich Marco auch daran,
dass Shaw alles andere als beliebt war - er war der kalte, traurige und
völlig unsympathische Einzelgänger.
Bei ihrer Heimkehr wird Shaw sofort von seiner dominanten Mom Mrs.
Eleanor Shaw Iselin (Angela Lansbury), die die politische Karriere ihres
Ehemanns und Raymonds Stiefvater Senator John Yerkes Iselin (James
Gregory) vorantreibt. Raymond Shaw hasst seine Mutter, denn sie hat
dafür gesorgt, dass er seiner große Liebe Jocelyn (Leslie Parish) den
Laufpass gibt. Mrs. Iselin war strikt gegen diese Verbindung, weil
Jocelyn die Tochter von Senator Thomas Jordan (John McGiver) ist und
diesen bezichtigt sie als Kommunisten und Vaterlandsverräter.
Tatsächlich wird bald ersichtlich, dass Raymond Shaw durch ein
Kartenspiel immer wieder auf Befehl fremder Mächte zum Auftragskiller
wird, ohne dass er selbst weiß. Während der damaligen Gefangennahme in
der Manschurai wurden die Soldaten einer Gehirnwäsche unterzogen und
kommunistische Agenten haben mit der Aufforderung zum Kartenspiel und
der Karo-Dame einen Auslösemechanismus geschaffen, der Shaw dazu bringt
Morde zu begehen. Auch Morde, die er nie mit seinem Gewissen vereinbaren
könnte. Politisch hat es Mrs. Iselin soweit geschafft, dass ihr Ehemann
für das Amt des Vizepräsidenten, gleich nach seinem Parteikollegen
Benjamin K. Arthur (Robert Riordan) aufgestellt wurde. Nachdem der
psychisch angeschlagene Marco Trost bei seiner neuen Freundin Rose
(Janet Leigh) findet, trifft er - als er Raymond besuchen will -
zufällig auf dessen neuen Koch (Henry Silva). Sofort hat er wieder
Erinnerungen an die Ereignisse und nun heißt es Raymond von seiner
mörderischen Hynose zu befreien. Doch das ist ein Kampf zwischen David
und Goliath...
Angela Lansbury erhielt gerechterweise den Golden Globe für ihre
brilliante Darstellung der bösen Mrs. Iselin. Beim Oscarrennen hatte sie
weniger Glück und unterlag dem Neuling Patty Duke, die den Preis als
beste Nebendarstellerin in "Licht im Dunkel" gewann. In der Liste der
besten Filmschurken aller Zeiten nimmt Lansburys Eleanor Iselin den 21.
Rang ein.
Auch Laurence Harvey als ihr masochistisch unterwürfiger Sohn
glänzt mit einer seiner besten Rollen. Leider wurde in der deutschen
Kino bzw. DVD-Version die Sequenz mit dem Damenkränzchen gekürzt. In
der Zeit des kalten Krieges war die Story natürlich gewagt, denn sie
entlarvt sowohl rechte als auch linke politische Ansicht als ideologisch
austauschbar - nur die Macht zählt. Wenn etwa der
Gehirn-Wissenschaftler Dr. Yen Lo sich freut, dass er in den USA soviele
Shopping Möglichkeiten hat und gleichzeitig seinen amerikanischen
kommunistischen Verbündeten rügt, weil dieser stolz erzählt, dass seine
Klinik bereits Gewinne abwirft. Mrs. Iselin ist vordergründig eine
Kommunistenjägerin und ihr Mann ein populistischer Patriot. Sie hat aber
erkannt, dass der Zweck die Mittel heiligt und kooperiert einzig und
allein um Vorteilnahmen für sich und ihren Mann zu schaffen, bei dessen
karriere sie im Hintergrund die Fäden zieht. Das Ausmaß ihrer
teuflischen Machenschaften werden aber erst am Ende deutlich sichtbar-
hat sie doch einen Pakt mit dem Feind geschlossen, um zuerst mal die
anderen Feinde zu vernichten.
John Frankenheimer hat im Laufe seiner Karriere viele gute Filme
gedreht: "Botschafter der Angst" ist zwar für mich sein Meisterwerk,
aber auch "Der Gefangene von Alcatraz", "Der Mann, der zweimal lebte"
oder "French Connection 2" sind hervorragnede Klassiker. Der Regisseur
verstarb im Jahr 2002 im Alter von 72 Jahren nachdem ihm kurz vorher mit
den gut gemachten Thrillern "Ronin" und "Wild Christmas" ein Comeback
gelang.
Bewertung: 10 von 10 Punkten
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