Regie: Luchino Visconti
Vergänglichkeit...
Nicht nur für den amerikanischen Filmregisseur Martin Scorsese ist
Luchino Viscontis "Der Leopard" einer der ganz großen filmischen
Meisterwerke überhaupt. Der ausufernden Ballszene des Films widmete er
in seinem eigenen Historienfilm "Zeit der Unschuld" eine wunderbare
Hommage mit einer eindrucksvoll photographierten Sequenz durch
Kameramann Michael Ballhaus.
Viscontis Film selbst wurde 1962 mit einer ganz neuen
Aufnahmetechnik realisiert. Diese Technik basierte auf anamorphotischen
Objektiven und wurde von Technicolor entwickelt. Leider war das Ergebnis
mit herkömmlichen Abspielgeräten enttäuschend, weil es zu einer
schlechteren Auflösung und verfälschten Farmen führte. 1991 wurde eine
kosten- und zeitaufwendige Restaurierung vollzollen. Unter der
Projektleitung von Kameramann Giuseppe Rotunno ließen die Cineteca
Nazionale und das Centro Sperimentale di Cinematografica die alten
"Technirama" Geräte instand setzen. So erstahlte der Film erstmalig
wieder im alten Glanz.
"Der Leopard" basiert auf dem gleichnamigen und einzigen Roman von
Giuseppe di Lampedusa. Es ist die Geschichte vom letzten Glanz und vom
Untergang eines sizilianischen Adelsgeschlechts im 19. Jahrhundert.
Sozusagen die letzten Tage des alten Adels und dessen Ablösung durch das
Bürgertum. Das Stilmittel, dass der berühmte Regisseur wählte, um diese
Zeit auferstehen zu lassen, ist das fast wie gemalt wirkende Bild als
Momentaufnahme. Diese Gemälde sind aber mit einer starken Melancholie
durchtränkt, man spürt den Untergang und auch die Tatsache, dass der
Mensch vergänglich ist.
Selten gelang es Geschichte so wirkungsvoll einzufangen wie hier -
der Zuschauer fühlt sich nicht nur in diese Zeit versetzt, er fühlt sich
mittendrin.
Für die Dreharbeiten wurde der alte Palazzo Gangi in Palermo wieder
geöffnet. In diesen ehrwürdigen Salons wurde der berühmte Ball des
Leoparden gedreht. Neben unzähligen Schauspielern und Komparsen wurden
hier auch Elektriker, Schneider, Dekorateure, Handwerker, Friseure,
Maskenbildner und die Filmcrew untergebracht.
Erzählt wird die Geschichte des Fürsten Fabrizio Salina (Burt
Lancaster) und seiner Familie. Seine Frau Maria Stella (Rina Morelli)
ist gottesfürchtig und bekreuzigt sich bei jeder Zärtlichkeit. Dennoch
gingen aus dieser Ehe 7 Kinder hervor. Hin und wieder vergnügt er sich
heimlich mit einer heißblütigen Prostituierten in Palermo. Sein beinahe
ständiger Begleiter ist der Jesuitenpater Pirrone (Romolo Valli).
Seine schöne, aber blasse Tochter Concetta (Lucilla Morlacci) ist
in Salinas Neffen Tancredi Falconeri (Alain Delon) verliebt. Und auch er
scheint Gefallen an ihr zu haben. Aber zuerst will der junge Adlige dem
Freiheitskampf anschließen, denn Giuseppe Garibaldi hat am 11. Mai 1860
mit vielen tausend Freiwilligen der Bourbonendynastie im Königreich
Neapel-Sizilien den Kampf angesagt. Der scharfsinnige Fürst begreift
sehr schnell, dass die Gründung des italienischen Nationalstaats auch
den Niedergang des herrschenden Landadels besiegelt und das Bürgertum
seinen Siegeszug antreten wird. Er arrangiert sich mit den neuen
Verhältnissen und hat eine leise Hoffnung, dass sich alles ändern muss,
damit alles so bleib, wie es ist. So zumindest argumentiert sein Neffe,
der bald zum Hauptmann aufsteigt. Wie jedes Jahr fährt der Fürst mit der
gesamten Familie in drei Kutschen zu seinem Sommerpalast in
Donnafugata. Er wird dort vom neureichen Bürgermeister Don Calogero
(Paolo Stoppa), der sehr viel Profit durch die veränderten Ereignisse
macht, mit dem gebotenen Respekt empfangen. Dort lernt Tancredi auch
Calogeros wunderschöne Tochter Angelica (Claudia Cardinale) kennen und
verliebt sich sofort in sie. Dies kränkt Concetta aufs Äusserste. Bald
darauf beauftragt Tancredi seinen Onkel mit der Mission in seinem Namen
bei Calogero um die Hand seiner Tochter anzuhalten. Mit einem pompösen
Ball wird die junge Frau in die gute adlige Gesellschaft eingeführt. Auf
diesem Fest bemerkt der Fürst noch einmal, dass er alt geworden ist und
seine Zeit bald abgelaufen ist...
Obwohl Visconti Laurence Olivier für die Rolle des Fürsten von
Salinas wollte, überzeugte ihn Burt Lancaster beim ersten Treffen
sofort. Und dies obwohl Visconti zuerst bemerkte, dass der Schauspieler
bisher nur Cowboys oder Gangster spielte.
Die Rechnung von Goffredo Lombardo, dem Produzenten, ging auf. Der
erzählte vorher Lancaster, der noch nie von Visconti und Lampedusa
gehört hatte, dass der italienische Regisseur ihn als Idealbesetzung des
Fürsten hält und Visconti gab er zu verstehen, dass Lancasters größter
Wunsch eine Zusammenarbeit mit dem Regisseur wäre.
Tatsächlich ist "Der Leopard" vor allem auch eine grandiose
Vorstellung von Burt Lancaster, dem hier die größte Leistung seiner
glanzvollen Karriere geliang. Leider wurde der Film für die damalige
Kinoauswertung gekürzt. Durch die Restauration erstrahlt dieses
cineastische Meisterwerk im größten Glanz. Großartig auch die
unvergessliche Filmmusik von Nino Rota.Ein ganz grosser Film mit lauter magischen Momenten.Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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