Regie: Henri Georges Clouzot
Nitroglyzerin...
Für den Filmkritiker Hellmuth Karasek war "Lohn der Angst" von Henri-Georges Clouzot der wahrscheinlich vollkommenste und geradlinigste Thriller der Filmgeschichte und ich teile diese hohe Wertschätzung für diesen Film, der im Jahr 1953 entstand. Der Thriller nach dem gleichnamigen Roman von Georges Arnaud erhielt viele Filmpreise, u.a. den Goldenen Bären in Berlin und den großen Preis von Cannes. Die British Film Academy zeichnete "Lohn der Angst" als besten Film des Jahres aus.
Dabei lässt sich der Regisseur auch sehr viel Zeit seine Geschichte zu entwickeln, der erste Teil der 142 Minuten Laufzeit widmet sich dem Leben in den gottverlassenen zentralamerikanischen Nest Las Piedras in Venezuela, wo viele Ausländer gestrandet sind und an diesem Ende der Welt sitzen sie fest, weil dem einen das Geld für die Rückfahrkarte fehlt und für Andere ist dies der Platz, wo sie untertauchen konnten. Hier in dieser ärmlichen Gegend ist aber auch der Sitz der Ölgesellschaften, die riesige Gewinne durch die Ölquellen einfahren. Im Gegensatz zu diesem Ort des Kapitalismus gibts die Einheimischen, die sehr bescheiden in ihren Slums leben. Der junge Korse Mario (Yves Montand) ist hier gestrandet, genauso wie der grobschlächtige Italiener Luigi (Folco Lulli) oder der schweigsame deutsche Bimba (Peter van Eyck). Die meisten Männer hier sind total pleite, am Tag lungern sie in der örtlichen Kneipe und flirten mit der hübschen Kellnerin Linda (Vera Clouzot), die in Mario verliebt ist. In diese Einöde platzt eines Tages der ältere Franzose Jo (Charles Vanel) aus Paris, der einen reichen und weltmännischen Eindruck macht mit seinem weißen Anzug und seinem arroganten Gehabe. Er schafft es aber mehr als alle anderen beim Wirt der Kneipe auf Kredit trinken zu können. Mario findet in Jo sehr schnell einen Freund, denn der ältere Lebemann fasziniert ihn sehr. Dieses Männerquartett wird im zweiten Teil des Filmes die einmalige Chance auf ein Himmelsfahrtskommando erhalten, dass mit jeweils 2.000 Dollar dotiert ist. Weil eine Ölquelle brennt, die 500 km entfernt ist, hat die US-Ölgesellschaft Southern Oil Company beschlossen Tonnen von Nitroglyzerin dorthin zu transportieren. Die Sache hat aber einen entscheidenen, lebensgefährlichen Haken: In den beiden Lastwagen, die von 2 Männern gefahren werden sollen, sind nur primitiv gefedert und überhaupt nicht dazu geeignet dieses hochgefährliche Nitroglyzerin zu transportieren. Genauso schlecht wie der Zustand der Lastwagen ist auch die Strecke, die teilweise nur im Schneckentempo gefahren werden kann, denn es lauern Gefahren wie unbefestigte Wellblechpisten, enge Kurven im Gebirge inklusive problematischen Wendemanövern auf bruchfälligen Holzrampen oder auch große Felsen, die die Weiterfahrt behindern. Auf dem Weg dorthin entsteht erstens ein gewisser Konkurrenzkampf der beiden Lastwagen. In dem einen sitzen Bimba und Luigi, das andere Team besteht aus Mario und Jo. Letzterer erweist sich auf der Fahrt alles andere als der selbstsichere Mann, den er den anderen vorgespielt hat. Er entpuppt sich zum alten Mann, den die Angst besiegt und bald von seinem ehemaligen Bewunderer Mario als Feigling angesehen wird...
Dieses Himmelsfahrtskommando im Schneckentempo erweist sich als atemberaubendes Spannungskino, denn ab diesem Zeitpunkt sind die Fahrer nur eine Sekunde von der Ewigkeit entfernt. Es gelingt dem Regisseur tatsächlich durch seine eiskalte Präzision den Zuschauer nicht nur mit auf die gefährliche Reise zu nehmen, er schafft es sogar, dass man das Gefühl hat mittendrin zu sein. Dies sind aber nur die äusseren Spannungseffekte. Dazu kommt auch die psychologische Spannung, die aus den Beziehungen der vier Männern entsteht. Das sehr gut ausgewählte Schauspielerquartett sorgt zusätzlich dafür, dass diese fiese existentialistische Parabel im Gedächtnis bleibt. Auch das Ende ist bitter, denn auch trotz erfolgreicher Fahrt, ist dies nicht der Garantieschein dafür, dass das Überleben gesichert ist. Unvergessen die Fahrt durch die riesige Öllache und auch die überschwengliche Fahrt am Ende mit Donauwalzer-Klägen von Johann Strauß.
Henri-Georges Clouzot galt in den 50er Jahren als eine französische Ausgabe von Alfred Hitchcock. So hat in "Lohn der Angst" hat das Wort "Suspence" noch seine totale Berechtigung. Der Film kann es locker mit sämtlichen Actionfilmen der neuen Kinogeschichte aufnehmen, damals musste man ja ohne eine Feuerwerk an Special Effects auskommen. Da war ein gutes, spannendes Drehbuch gefragt, gute Akteure, die Interesse wecken - sie sind nicht die Helden, sondern haben auch menschliche Schwächen. Ein atemberaubender Film.
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